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"Verlorene Zeit ist verlorenes Glück.

Die Sonne bekommt keine Wärme zurück"

(Joachim Witt,1982 )

Beobachtung einer perfekten Sonnenfinsternis am Rande der Wüste Gobi / Nordwest-China

Totale Sonnenfinsternis am Freitag, 01. August 2008

TSE 2008-08-01 SAROS 126 (47/72)

BERICHTE, INFOSEITE UND REISEPLANUNG MIT DEN KONTAKTZEITEN DER FINSTERNIS

letztes Update am 06. August 2009

 

 

Die Reiseroute insgessamt: Von Frankfurt mit Air China nach Shanghai; am Folgetag ein Inlandsflug von

Shanghai mit Stop-Over in Xi'an und Weiterflug nach Jiayuguan/Provinz Gansu.

 

Nachtschwärmer in Shanghai: Pagodendächer der Altstadt, der Olympic Pearl-Tower und nächtliche Wasserspiele

* * *

Hier meine Wiedergabe von Eindrücken, Gedanken und Stimmungen der Sonnenfinsternis am 1. August 2008 in der Wüste Gobi

Was zuvor geschah:

Nach meiner Ankunft in Shanghai am 30.07. in Begleitung von Marc Weihrauch und Ralf Schäfer erkunden wir die chinesische Mega-City mit unserem Fahrer Wolfi in einem Kleinbus. Nach 7 Stunden Shanghai-Crash-Kurs mit dem Besuch der markantesten Punkte der Stadt sowie einer Hafen-Rundfahrt auf einem Ausflugs-Boot folgt nach einer kurzen Nachtruhe der zweite Teil: Weitere Shanghai-Erkundung sowie eine Fahrt zum Airport mit dem Transrapid bei Tempo 431 km/h! Vorläufig trennen sich hier die Wege unserer Kleingruppe und Wolfi, denn wir haben einen Inlands-Flug via Xian nach Jiayuguan, von wo aus die Expedition zum Sonnenfinsternis-Camp von Eclipse-City startet. Wir sehen am Sofi-Tag das Fort Beacon, welches das westliche Ende der großen, chinesischen Mauer darstellt. Nach einer letzten Stärkung beim Mittagessen macht sich der Konvoi der Sofi- Enthusiasten auf in Richtung des Tagescamps. Während der Streckenverlauf auf der Straßenkarte so übersichtlich aussieht, erweist er sich doch nicht zuletzt wegen der teilweise schlechten Straßenverhältnisse und ungeliebter Kontrollpunkte zu einer über zweieinhalbstündigen, nervenaufreibenden Anfahrt. Durch das Mittagessen und die Polizeikontrollen in diesem Gebiet des Militärbahnhofes sind wir später als geplant in der Nähe des Camps. Zudem nagen vereinzelte Schäfchenwolken, die in westlicher Richtung überhand nehmen, an den Nerven der erwartungsvollen Bus-Insassen - den Fahrer einmal ausgenommen!

 

Und ab diesem Moment der Ankunft im Camp möchte ich meine Eindrücke und Gefühle an diesem besonderen Tag sehr detailliert zu schildern und in der Erlebnisform wiederzugeben ...

Joe Cali misst die Zeit, die eine einzelne, konvektive Wolke die Sonne vollständig zu verdecken mag. Es sind erschreckende 8 lange Minuten. Was nur, wenn diese Wolken zur Totalität präsent sind? Wird es einen Fluchtplan geben? Grundsätzlich sind immerhin keine großflächigen Wolkenteppiche zu erkennen, und ich hege eher ein gutes Gefühl. Mehr Sorgen machen mir die verbleibende Zeit bis zum ersten Kontakt und meine prall gefüllte Blase, die seit 1 Stunde um Entlastung fleht.

Da tauchen auf der linken Seite wimpelähnliche, bunte Fähnchen in der kargen und steinigen Wüstenlandschaft auf. Nach fast 2h30m Fahrt über eine teils äußerst holprige Piste, die in mir Erinnerungen an die Pfade im afrikanischen Busch wach werden lassen, biegt der Bus ab und folgt quälend langsam einem schmalen Schotterweg.

Es ist 16:50 Uhr. Wir durchfahren das Eclipse-City Eingangsportal. Hier und da ist Militär präsent. Eine klare Begrenzung des Camps kann ich nicht erkennen. Als der Bus auf der Parkfläche stoppt, beschäftigen mich 3 Fragen: Wie schnell werde ich meine Ausrüstung zu einer funktionierenden Foto-Plattform zusammenbauen können, wann endlich lösen sich die zahlreichen Schäfchenwolken am Westhimmel auf und wo kann ich schnellstmöglich meine Blase entleeren? Letzteres Problem ist am Eingangsbereich schnell gelöst; hier sind 4 Toilettenanlagen installiert. Viele von uns erledigen dieses vorrangige Bedürfnis, eine kleine Warteschlange bildet sich. In westlicher Richtung sehe ich ein paar barackenähnliche Gebäude; es sind die Unterkünfte einiger Wissenschaftler, die hier zugange sind. Davor stehen imposante Gerätschaften und Teleskope, aber wegen der Entfernung kann ich keine Details erkennen.

In der Nähe des Tagescamps befindet sich dann noch ein luftbefüllter, bunter Torbogen zur Begrüßung, der der Szenerie eher einen kirmesähnlichen Charakter verleiht. Der zur Verfügung stehende Platz ist riesig und ich frage mich, wo wohl eine günstige Stelle zur Beobachtung sein könnte. Ich schleppe meinen Koffer mit der 25kg schweren Ausrüstung nebst Kamerarucksack auf der Suche nach einem geeigneten Spechtelplatz. Dies ist eine Parallele zur letzten Sofi in Akörenkisla/Türkei, bei der mir der Weg unendlich erschien.

Magdalena nimmt mein Berlebach-Holzstativ und erspart mir dadurch weitere 3kg Gepäck. Die Wüstenlandschaft beginnt, ihren kalten Charme in der Hitze des Tages zu versprühen. Was für eine bizarre Landschaft – es ist ein Ort, wie ich ihn liebe! Spannender kann eine Umgebung für die Sonnenfinsternisbeobachtung kaum sein. Der erste Gedanke an eine Wüste - etwa der einer langweiligen, unendlich weiten Ebene ohne markante Landschaftsformationen - wird hier gottlob nicht erfüllt. Unterschiedlich sanft geschwungene Hügel mit weiten Abhängen durchziehen zwischen fast windstillen Senken im Wechsel lose die Umgebung. Der Untergrund ist eine Mischung aus groben, dunklen Steinen und Sand. Je nach Standort erweist sich der Boden als stabil, stellenweise jedoch versinkt jeder Fuß. In Richtung Westen erstrecken sich mehrere Hügelketten, die bereits von einigen Finsternisjägern erklommen wurden. Der Westhorizont wird von den fernsten und höchsten Hügeln malerisch begrenzt. Dies verhindert die direkte Sicht auf den späteren Sonnenuntergang, was aber in Hinblick auf diese großartige Finsterniskulisse mehr als verschmerzbar ist.

Windböen zerren an den Begrenzungsfahnen des Camps, und deshalb ist mein erster Gedanke ein Plätzchen im Bereich einer Senke. Aber auch hier ist man keinesfalls windsicher situiert. Ich schaue mich um, wandere ein wenig nach hier, prüfe ein wenig da und bin unschlüssig. Das nahe liegende ist nun, sich einfach zu den anderen Beobachtern in etwa 300 Metern Entfernung auf deren Hügelkette zu stellen und vielleicht von dort einen besseren Blick auf den herannahenden Kernschatten zu haben. Ich beobachte noch einmal die Umgebung als mir auffällt, dass die vielen nebeneinander stehenden Beobachter auf dem Hügel vor uns einen wunderbaren Motiv-Vordergund gegen den Finsternishimmel abgeben. Auch Ryo, Ralf und Marc sind der Ansicht, hier in der zweiten Reihe den wahren Logenplatz zu haben. Neben diesen beiden „Reihenbeobachtern“ finden sich aber auch hier und dort verteilt Einzelbeobachter abseits der größeren Gruppen.

Es ist 17.05 Uhr, als ich mit dem Auspacken und Aufbauen der Ausrüstung beginne. Mir bleiben noch gut 70 Minuten bis zum 1. Kontakt. Die Stimmung am Platz ist gut. Jeder weiß, was er zu tun hat, und die wahren Gewinner sind diejenigen, die bereits die Vorfreuden-Stimmung genießen können, weil sie kein großes Equipment zu verwalten haben. Es dauert nicht lange, da gesellt sich Brigitte Benz zu uns. Es ist schon das dritte Mal, dass wir uns irgendwo auf dieser Welt treffen, um gemeinsam eine Sonnenfinsternis zu beobachten. Auf meiner Hochzeitsreise im Pazifik 2005 haben Heike und ich Brigitte kennen gelernt.

 

Brigitte Benz Pamela Clements

 

Immer wieder diese unbarmherzigen Windböen, die über den Platz pfeifen. Problemlos baue ich nach und nach die aus insgesamt 5 Kameras bestehende Ausrüstung vor mir auf. Konzentration ist jetzt alles, damit ich später die Totalität visuell und ohne irgendetwas an den Kameras tun zu müssen, genießen kann. Auf das Berlebach-Stativ setze ich die reisetaugliche EQ2-Montierung mit Motor, der mir den Luxus ermöglicht, die Objektive kaum auf die Sonne nachstellen zu müssen. Schwerpunkt sind Aufnahmen mit 800 und 200mm Brennweite. Die beiden Kameras, eine Canon EOS 350d und eine EOS400d, werden vollautomatisch per Laptop und dem Steuerungsprogramm „Eclipse Orchestrator“ von Fred Bruenjes angesteuert und ausgelöst. Sogar die partiellen Phasen sollen so ausgelöst werden. Unzählige Male habe ich zuhause das Zusammenspiel der Kameras mit dem Laptop erfolgreich ausprobiert und dabei auch Problemfälle und deren mögliche Lösung simuliert. Es ist ein adrenalinspendendes Gefühl, das Steuerungsprogramm heute nicht im „simulation mode“, sondern im Echtzeitbetrieb laufen zu lassen!

Zusätzlich hat heute meine selbst gebaute Panorama-Drehbühne für die Ricoh Caplio R5 ihre Feuerprobe zu bestehen: Das Erstellen von Einzelbildern im 5-s-Rhythmus, die sich später zu einem Panorama zusammenfügen lassen. Das Stativ für die kleine Box mit einem integrierten Diskokugel-Motor und dem Intervalltimer stelle ich 5 Meter vor unsere Gruppe und nivelliere es mit einer kleinen Dosenlibelle. Erst 10 Minuten vor der Totalität setze ich die kleine Ricoh-Digitalkamera auf die Plattform, mit der ich erst noch ein paar Stimmungsfotos einfangen will.

 

Links das Stativ mit den beiden EOS-Kameras und der EQ2-Nachführung, die per Laptop ausgelöst werden. Der Turbo Eclipse-Panorama Maker steht etwa 6 Meter vor der Haupt-Ausrüstung; hier noch ohne aufgesetzte Ricoh-Kamera

 

Zu guter Letzt kommt noch ein Stativ mit einem 80mm Objektiv und einer analogen Canon EOS 3000N zum Einsatz. Diese Kamera wird von Thomas Tuchans „Canon-Timer“ nach einem selbst festgelegten Ablaufplan ausgelöst. Das wichtigste ist dabei lediglich, den Startzeitpunkt für den Timer nicht zu verpassen. Und den habe ich für 50 Minuten und 10 Sekunden vor dem 2. Kontakt festgelegt. Mit dem gleichen Timer soll auch noch parallel ein 500mm-Objektiv an einer EOS 50e betrieben werden. Aber dazu wird es heute nicht kommen, denn ich habe den nötigen T2-Adapter zuhause vergessen. Nicht schlimm – alle anderen Teile sind da!

Während ich die Geräte einsatzbereit mache, ziehen immer wieder Konvektionswolken über die Sonne und bringen eine willkommene Abkühlung in der feuchtarmen Wüstenluft. Zwar eilt die Zeit, doch ich bin um 16:50 Uhr mit allen Vorbereitungen fertig und grundsätzlich einsatzbereit. Ich checke ein letztes Mal alle Kameraeinstellungen. Schlussendlich kann es losgehen – doch wird auch das Laptop die Kameras auslösen und alle Treiber erkennen? Wenn auch zuhause immer alles prima geklappt hat, Zweifel bleiben. Alles mögliche kann noch schief gehen. Für den äußersten Notfall habe ich 2 Fernauslöser für eine eventuelle Handsteuerung dabei. Wo sind die eigentlich? Der Start der PC-Steuerung ist zur maximalen Akku-Schonung erst ab 18:05 vorgesehen.

Unsere Gruppe steht praktischer Weise direkt vor einem Versorgungs-Zelt von Eclipse-City. Deshalb ist der nötige Griff zur Wasserflasche stets nur ein paar Meter entfernt. Die Belieferung dieses Catering-Zeltes erfolgt traditionell: Wie einst vor hundert Jahren, zieht von Zeit zu Zeit ein Bauer mit seinem Kamel und einem Karren umher und bringt Nachschub. Alleine dieser Liefer-Service ist ein Foto wert. Und meine Stamm-Leser wissen nun: An dieser Stelle ist es wieder an der Zeit für den weltweit funktionierenden Finsternis-Service. Noch an allen meinen bisherigen Eclipse- Beobachtungsorten wurde ich mit allem nötigen zum Überleben versorgt!

Pamela agiert mit ihren 3 Stativen links von mir und hat alle Hände voll zu tun. Ryo und Ralf sind zu meiner rechten einsatzbereit und erwarten, wie wir alle, fieberhaft den ersten Kontakt in wenigen Minuten. Ich starte das Laptop und den „Eclipse-Orchestrator“. W-LAN, Bluetooth, Virenscanner und alle Sleep-Modes sind deaktiviert. Das Programm erkennt auf Anhieb die EOS 400d, nicht aber die EOS 350d, die via RS232 nur ein Auslösesignal bekommt. Ein Druck auf Recalc/Reload behebt das Problem augenblicklich, und eine Anspannung fällt wie ein Stein von mir: Der simulierte Mond im „Orchestrator“ ist im Echtzeit-Modus schon nahe am Sonnenrand zu sehen, alle Kameras sind bereit – ja – jetzt kann's wirklich losgehen! Erst in diesen Minuten vor dem ersten Kontakt verspüre ich eine wohlwollende Gelassenheit. Mein Laptop und mich verdecke ich unter einem Bettlaken zum besseren Ablesens des Monitors. Vermutlich sehe ich für meine Mitbeobachter als ein in Meditation versunkener Mensch aus... den nur 2 Kabel mit der Außenwelt verbinden!

 

Pamela Clements Ralf Schäfer & Ryo Kato sind bereit, im Hintergrund erkennt man die immer noch präsenten Konvektions-Wolken, hier in nördlicher Richtung.

 

18:15:53

Die Wolken haben an Ausdehnung und Häufigkeit abgenommen. Nun scheinen sie relativ stationär zu bleiben, aber das ist noch keine Garantie, die Totalität in etwa 56 Minuten zu erleben. Der Wind lässt spürbar nach, während der erste Kontakt sich in meinem 10x50-Fernglas verrät. Erstmalig bei einer Sonnenfinsternisreise habe ich ein Fernglas mitgebracht. In der 4-Uhr-Position der Sonne schlägt der Drache zu: Die Finsternis hat begonnen. Die Nachführung arbeitet hinreichend genau, um über viele Minuten überhaupt keine Korrekturen an der Position der angeknabberten Sonne im Sucher beider Digitalkameras machen zu müssen. Da das Steuerungsprogramm brav seinen Dienst verrichtet, kann ich mich nun endlich mal dem Umfeld widmen.

Meine Traumlandschaft gleicht ziemlich dem, was uns Raumsonden von der Oberfläche des Mars als Bildpostkarte geschickt haben. Dunkle Steine soweit das Auge reicht, im Osten und Süden liegen weite Ebenen mit nur wenigen Höhenzügen durchsetzt; von Südwest bis in den Norden sind es die schon beschriebenen Hügel und Senken. Die Gelegenheit ist günstig für ein paar Stimmungsfotos. Mitarbeiter von Eclipse-City beobachten ebenfalls in unserer Umgebung und sehen die partielle Phase mit Sonnenfinsternis-Brillen. Sie wissen teilweise noch nicht, was sie mit Eintritt der Totalität erwarten wird.

 

2 Eclipse-City-Mitarbeiter warten auf das große Ereignis... Noch ist Schutz vor der Sonne dringend nötig

 

Es ist Zeit für etwas „Show“. Marc projiziert mit seinem weit gereisten Strohhut eindrucksvoll zahllose Sonnensicheln auf das bunte Catering-Zelt am Platz und erklärt den Sachverhalt des Lochblendeneffektes. Die Zuschauer sind begeistert und völlig überrascht, mit welch einfachen Mitteln die Finsternis nachzuweisen ist. In Ermangelung von Bäumen gibt es auch kaum eine Möglichkeit, den Lochblendeneffekt zu demonstrieren. Das schwindende Licht der Sonne macht sich früh bemerkbar. Gut eine halbe Stunde vor der Totalität hat die Temperatur schon etwas abgenommen und erreicht erträgliche Werte. Der Wind lebt nur noch hin und wieder kräftig auf, was jedoch kein Problem für meine Montierung bedeutet. Inzwischen habe ich längst den Timer für die Analogkamera gestartet, und der "Orchestrator" löst alle 5 Minuten verlässlich beide Digitalkameras aus. Alles im grünen Bereich, ja...

zum Vergrößern auf das Bild klicken.

 

Landschaftsportrait der Wüste Gobi. Gruß vom Mars! Gefahr von oben: Die Wolken sind nie ganz weg...

 

Wie immer, unmittelbar vor einer Totalität, liegt die Anspannung vor dem großen Moment zum Greifen in der Luft. Der Wind ist weg. Magdalena hat die Bewegung der verbliebenen Kumuluswolken beobachtet und meint, sie bewegen sich kaum. So ganz überzeugt mich das nicht, aber ausgerechnet wenige Grade neben der tief partiell verfinsterten Sonne lauert dieses unberechenbare Gewölk. Ein einziger Ausreißer reicht, um uns den finsteren Spaß zu verderben.

Nur noch 5 Minuten bis zum zweiten Kontakt. Inzwischen sind alle bereit an ihren Instrumenten für die großen Momente, die gleich folgen. Die zu 93% verfinsterte Sonne legt ein rötlich-graues Licht über die Steinwüste. Die Schatten sind lang und scharf begrenzt, wie Marc bemerkt. Es ist absehbar, dass keine Wolke stören wird, denn der Abstand zur Sonne ist gottlob ausreichend groß geblieben.

Oh je! Ein letzter, prüfender Blick auf das Laptop lässt mein Blut gefrieren: Die Uhr ist stehen geblieben, das Programm funktioniert nicht mehr, und das ausgerechnet 3 Minuten vor der Totalität! Ich habe 29 Monate auf den bevorstehenden Moment gewartet, unzählige Abende mit Vorbereitungen und sorgfältigen Tests verbracht, und das alles soll jetzt so kurz vor dem Ziel umsonst gewesen sein? Warum jetzt diese harte Probe?

Eigentlich ist es nun zu spät für Experimente. Für einen Moment denke ich an das Notfallprogramm, die Kabelauslöser an den Digicams einzustöpseln und von Hand ein paar Belichtungen auszulösen. Doch ich habe vergessen, die Auslöser aus dem Fotorucksack zu nehmen. In der tiefen Finsternisdämmerung kann ich sie nicht schnell genug finden. Zeit zum Handeln! Ich beende das Programm und starte es erneut. Mit zitternden Händen wage ich eine Testauslösung. Es klappt, die Kameras lösen aus – schnell das Script mit den Auslösezeiten nachladen - und ich bin wieder im Rennen! Was für ein Schock.

Es sind noch 2 Minuten bis zur Totalität, aber die Vorgänge am Himmel sind viel zu dramatisch, als dass ich mir Gedanken über den Programmfehler machen könnte. Aus Nordwesten rollt der Kernschatten heran. Eine hauchzarte Rest-Sichel zeigt sich im Fernglas. Da erkenne ich Venus am Himmel. Trotzdem ist der Blick in die Sonne mit bloßem Auge kaum möglich – zu grell ist selbst das wenige, verbleibende Restlicht. 40 Sekunden vor der Totalität misslingt mir dann das Abnehmen des Filter am 500mm Maksutov- Objektiv! Es klemmt etwas, und erst nach 2 Versuchen löst es sich endlich. Schnell noch mal das Filter vor das Objektiv gehalten und letztmalig die Schärfe kontrollieren. Doch das soll dann auch die letzte Hürde gewesen sein.

Mein Gott, ist diese Sichel nun so dünn! Marc sieht bereits die Korona und tut lauthals davon kund. Die Lichtsilhouette der Sonne zerbricht endlich in ihre Fragmente – sekundenlang. Wunderschöne Baileys Beads zum 2. Kontakt und nahtlos folgt eine traumhaft rote Chromosphäre am östlichen Mondrand. Kollektiver Jubel aus allen Richtungen, und auch ich kann meine lautstarke Begeisterung selbst als achtfacher Wiederholungstäter nicht zurückhalten. Nun zeigt die verdeckte Sonne ihre ganze Pracht, denn die weiß-rötliche Korona ist in ihrem vollen Umfang zu sehen. Mindestens 2 fantastische koronale Streamer ragen auf der östliche Seite in den tiefblauen Taghimmel, auf der westlichen Seite ist es eine große, auffällige „Nadel“, die in den Himmel ragt. Mittig in der Szenerie der bodenlos schwarze Neumond, schwärzer als das tiefste vorstellbare Schwarz, das es gibt. Was für ein Anblick.

 

Technische Details:

14 Einzelfotos zu je 800 mm, Belichtungen von 1/2000s - 2s

Addiert in Fitswork

 

 

 

Das 3. Foto rechts brachte mir den Ersten Platz des Eclipse-City-Photo-Contest

anlässlich der Astronomie-Fachmesse "AME 2008"

Ein Klick auf die Bilder öffnet eine höhere Auflösung.

Die erwartete Minimumskorona Das erste Foto nach C3 Und noch ein 3. Kontakt mit 200mm

 

 

 

 

 

Anfang und Ende: 4 Momente kurz vor dem 2. Kontakt und kurz nach dem 3. Kontakt

 

Im Fernglas studiere ich diese Szenerie detailliert, aber ich kann mein Bino kaum ruhig halten vor Aufregung! Manche rufen etwas von Protuberanzen, aber die kann ich wirklich nur im Fernglas erkennen. Bei direktem Hinsehen behindert ein ringähnlicher Lichtsaum um den Mondrand etwas die Sicht auf die roten Feuerzungen der Sonne. Ein paar Windböen huschen von Zeit zu Zeit über den Platz, aber nicht wirklich störend.

Ganz eindeutig hebt sich jetzt Merkur etwas nordöstlich der Finsternisszene ab. Mit Venus weiter östlich ein echtes Traumpaar, diese kaltsilbrigen Planeten am Taghimmel. Mir fallen vereinzelt weitere Sterne im Südwesten und Osten auf. Vielleicht erfasst die Panorama-Kamera während ihrer endlosen Runden den einen oder anderen davon?

Vor mir klicken 4 Kameras wie von Geisterhand in der flüchtigen Tagdämmerung. Ich registriere es nur kurz, der Blick auf die verbleibenden Sekunden der Totalität mahnen zur eingehenden Beobachtung. Der Horizont ringsum zeigt überall ein anderes Aussehen. Wegen des schräg auftreffenden Kernschattens gibt es heute nicht die sonst typischen, orangeroten Farbtöne der Abenddämmerung. Teilweise leuchten die Hügel in westlicher und östlicher Ferne in malerischem Orangerot, im Süden und Norden schaut der Horizont eher hellblau aus.

Sehr auffällig nach dem Maximum der Totalität ist ein relativ abrupter Helligkeitsanstieg des Himmelshintergrundes in westlicher Richtung, während die Berge in Horizontnähe orange gefärbt sind. Der Kernschatten bewegt sich, immer schneller werdend, weiter über die Erdoberfläche, und das kann ich direkt beobachten. Noch 13 Sekunden bis zum 3. Kontakt. Bald ist der Traum zu Ende. Schon wieder hat sich ein anderes Licht über die Landschaft gelegt, und ein verdächtiger Lichtbogen bildet sich am westlichen Mondrand. Nach kurzem Blick auf die rote Chromosphäre weiß jeder, dass es augenblicklich vorbei ist: Eine Perlenkette aus Sonnenlicht läutet den 3. Kontakt ein und vertreibt in Sekunden die reisende Nacht. Der Kernschatten zieht rastlos weiter nach Südosten und wird bald die Erdoberfläche wieder verlassen; das Beobachten des Weiterziehens ist von unserem erhöhten Standort aus nicht minder eindrucksvoll.

Und während die 2. partielle Phase begonnen hat, strahlt Venus noch deutlich mit bloßem Auge erkennbar am Taghimmel. Erst wenige Prozent der Sonnenscheibe sind vom Mond freigegeben. Von Merkur ist nichts mehr zu ahnen. Schnell noch die Sonnenfilter auf die Optiken gesetzt, und dann ist es Zeit zum Jubeln. Schon so oft bin ich Zeuge dieses seltenen und fesselnden Schauspiels geworden. Je öfter ich es sehe, umso mehr will ich davon. Ganz besonders heute verspüre ich diesen Gedanken, denn noch nie hatte ich bei einer Totalen die Gelegenheit, sie so intensiv zu erleben! Wie sehr habe ich immer die reinen Beobachter beneidet, die ganz unbelastet, ohne Kamera und nur mit ihren Sinnen diese unzähligen Eindrücke in sich aufsaugen. Heute hat mir die Technik und intensive Vorbereitung zu einem wahrlich einzigartigen Erlebnis verholfen: Dem puren Gefühl, eine perfekte Sonnenfinsternis an einem perfekten Himmel zu genießen! Voller Eindrücke setze ich mich neben die Panorama-Kamera, die ich soeben abgeschaltet habe, und beobachte das Weggleiten der Mondscheibe über die Sonne im Fernglas. Zeit, etwas Luft zu schnappen, Gedankenpause.

Der Analog-Timer hat die EOS3000N offenbar auch korrekt ausgelöst, wenngleich auch ein Bild auf dem Negativ-Film verblieben ist. Am Laptop läuft wie bisher der Orchestrator und macht alle 5 Minuten 5 Aufnahmen der partiellen Phase. Ich wage eine kurze Rückschau auf dem Kameradisplay der EOS 400d und sehe mit Freude knackig scharfe Bilder der Totalität! Das gleiche bei der EOS 350d, die mit 200mm ebenfalls ein wahres Füllhorn an Details in den Fotos zeigt. Die Erstbeobachter sind, wie immer, völlig hin und weg von dem gerade Erlebten und können nun verstehen, warum sich die weiten Wege und der große Aufwand in dieser Einöde lohnen.

Welches Glück uns beschieden war, erkennen wir jetzt: Eine große Wolke schiebt sich am ansonsten fast klaren Himmel über die Sonne und lässt sie minutenlang vollends verschwinden. 30 Minuten zuvor hätte dies zu einem unbeschreiblichen Desaster geführt. Wolkenstrahlen bilden sich, die Landschaft wird wieder in fahles Licht getaucht. Ich gehe zu den anderen am Platz und tausche die Erlebnisse aus. Auch bei Thomas Bader tut der Eclipse Orchestrator seinen Dienst, bei ihm hat ebenfalls alles gut geklappt.

Bis zum Sonnenuntergang ist es nicht mehr lange hin, und eine kühle, klare Nacht über der Wüste Gobi ist absehbar. Es ist geradezu einladend, eine nächtliche Spechteltour zu unternehmen. Doch die Zeit eilt. Wir alle timen um 20.10 Uhr den 4. Kontakt, und dann ist es an der Zeit, schnellstmöglich die Instrumente einzupacken. Mit den vielen Einzelteilen kann ich eine gewisse Mindest-Zeit zum Verpacken jedoch nicht unterschreiten. So kommt es wie immer, dass alle anderen ihre Ausrüstung lange vor mir reisefertig verpackt haben.

Nachdem die Sonne hinter den Hügeln verschwunden ist und den Horizont zum zweiten Mal für heute Abend in orange taucht, entdeckt Marc erneut Venus. Ganz schwach ist sie im Licht der tiefen Sonne zu erkennen, doch mir gelingt während des Einpackens die Sichtung nicht.

Zeit zum Aufbruch. Die Busse stehen schon zur Rückfahrt bereit und im Camp wird aufgeräumt. Polizei ist, wie schon in der ganzen Zeit, stets präsent. Immerhin befinden wir uns im Bereich militärischen Sperrgebietes nahe des chinesischen Weltraumbahnhofes.

Nur die Wissenschaftler bleiben mit ihrer Ausrüstung hier. Beneidenswerter Weise haben sie keinen Zeitdruck. Überglücklich, aber müde verlasse ich meinen 8. Sonnenfinsternis- Beobachtungsort an diesem 1.8.2008. Wieder hilft mir Magdalena beim Tragen der Ausrüstung. Die 25kg Ausrüstung fordern beim Rückweg ihren Tribut – ich wünsche mir das Kamel mit der Holzkarre als Träger!

Am Bus angekommen ist gerade Zeit für ein Eclipse-City-Team-Fotoshooting. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und bekomme so endlich alle vom "Team Gelb" auf ein Bild. Recht erschöpft von den Strapazen des Tages sinke ich in meinen Sitz und werde auf der holprigen Schotterpiste kräftig durchgeschüttelt, während allmählich die späte Dämmerung den Platz für eine glasklare Wüstennacht räumt. Während der über zweistündigen Rückfahrt ist sogar die Milchstraße im Bereich des Skorpions problemlos zu erkennen. Der Stachel des Skorpion über dem Horizont ist für uns Deutsche immer etwas besonderes, nicht aber für Josef Cali aus Australien!

Das Tagesthema wird auf der Rückfahrt nochmals besprochen, ebenso wie Reisepläne für die Zukunft. Ralf Schäfer zeigt mir ein grandioses Weitwinkel-Foto, auf dem ganz hervorragend der Kernschatten über dem Horizont zu sehen ist.

Meine Datenausbeute von heute mag hoch und wertvoll ausgefallen sein, aber es kann den einmaligen und bleibenden Eindruck dieser zweifelsohne farbenfrohen Eclipse nicht ersetzen. Mir ist aber auch klar, dass die erfreulich hohe Bildausbeute der beiden hauptsächlich verwendeten Digitalkameras wegen des Programmabsturzes schlussendlich mit Glück verbunden war. Hätte sich der Fehler nur 3 Minuten später ereignet, liegt die Vorstellung nahe, ohne Bilder nach Hause gefahren zu sein. Aber das ist eben der winzige Unterschied, der manchmal großen Erfolg von erschütternder Niederlage trennt. Dem Glücklichen gehört die Welt.

Erst gegen 22:30 Uhr erreichen wir den zentralen Treffpunkt von Eclipse-City zum gemeinsamen Abendessen vom Buffet. Sogar einen Eclipse-City-gelabelten Wein gibt es. Wo man auch hinsieht, finden sich überall zufriedene, aber auch sehr müde und beanspruchte Gesichtsminen. Mit einem Gläschen Wein stoßen wir am deutschen Tisch auf den heutigen, grandiosen Tag an, den sicher keiner von uns jemals vergessen wird.

Es folgt noch der Transfer zum Hotel in Jiayuguan. Trotzdem habe ich keine Lust mehr, das gesamte Gepäck wieder reisefertig zu verpacken und beschließe, morgen lieber etwas früher aufzustehen. Wohlwollend schalten Ralf und ich mittels des Licht-Kontrollpultes auf dem Nachttisch alle Lampen aus – die letzte Verdunkelung für heute – und fallen umgehend in den wohlverdienten Schlaf.
Bildergalerie in Arbeit.

Nachfolgend Hintergrundwissen und Fotopläne zur Finsternis vom 1. August 2008.

 


Flinke Fakten: Dauer von 08:04 - 12:38 UT, Größte Finsternis 10:21:08 UT, Finsternis- Magnitude 1,0394

Maximale Länge der Totalität: 2m27.2s

Total sichtbar in Kanada, Grönland, Franz-Josef-Land, Russland (Novosibirsk, Barnaul), Mongolei, China (Yiwu)

Partiell sichtbar in fast ganz Europa außer Spanien und Portugal und nahezu ganz Asien

Grafik erstellt mit WinEclipse von Heinz Scsibrany


TEIL 1 : INFO, REISE- UND FOTOPLÄNE

Die totale Sonnenfinsternis am Freitag, 1. August 2008

TSE 2008 - SAROS 126 (47/72)

 

Nachtrag: Entgegen der hier beschriebenen Vorplanungen habe ich diese Finsternis nicht in

Novosibirsk, sondern in Jiayuguan, China, beobachtet.

Wenn sich die europäischen Finsternisjäger dieses Mal zu ihren Zielen aufmachen, ist es auch eine Voreinstimmung auf die fernen Gegenden, die in den nächsten Jahren vom Kernschatten des Mondes getroffen werden. Am 29. März 2006 fand nämlich in der Türkei die letzte, totale Sonnenfinsternis statt, die vor allem für Europäer nun für wirklich viele Jahre gut und schnell erreichbar war. Damit ist es bis zum 20.03.2015 vorbei, denn erst dann wird der Schattenpfad einer totalen Sonnenfinsternis über die Faröer-Inseln gen Norden ziehen und liegt somit wieder tendenziell näher am europäischen Festland. Und noch ein Wermuts-Tropfen: Seit der Sofi vom 29. März 2006 dauert es 29 lange Monate bis zur nächsten Totalen, die am 1.8.2008 stattfinden wird. Sie ist im Maximum 2m27s lang total.

Aber wie ich ja seit dem 8.4.2005 von der 33-Sekunden-Hybriden im Pazifik weiß, liegt die Würze in der Kürze! Und so ist die kurze Dauer gut zu verschmerzen und eher eines von vielen Highlights, das uns am 1.8.2008 erwarten werden. Es gibt an diesem Tag einiges am Himmel zu sehen!

Die Finsternis beginnt ihren langen Weg, der übrigens größtenteils über hohe, nördliche Breiten führt, in Kanada. Sie zieht mit immer breiter werdendem Totalitätsstreifen über Grönland, das Nordpolarmeer, streift Franz-Josef-Land und die Barents-See und trifft schließlich auf russisches Festland. >>>Karte von Jay Anderson.  In allen diesen Regionen beträgt die Wolkenwahrscheinlichkeit - rein statistisch - zwischen 80-100% in dieser Jahreszeit. >>>Wolken-Karte.

Entlang des Totalitätsstreifens befinden sich nur äußerst dünn besiedelte Gebiete. Das ändert sich erst bei Novosibirsk, wo das Wolkenrisiko sinkt und bei 40-50% liegt. Von Deutschland aus ist diese Region relativ einfach erreichbar, wenn man z.B. auf dem internationalen Flughafen anreist oder nostalgisch per transsibirischer Eisenbahn. Der Schattenpfad zieht weiter mitten durch das Grenzgebiet Russland - Kasachstan - Mongolei - China. Allmählich bessern sich die statistischen Aussichten, mit Erfolg diese Finsternis zu beobachten, je weiter die Sofi nach Süden zieht. Das wohl günstigste Areal mit der geringsten Wolkenwahrscheinlichkeit im Totalitätsstreifen liegt in einer einsamen Bergregion unweit der mongolischen Grenze in China. Das Wolkenrisiko sinkt auf etwa 30-35% in der Wüstenregion, deren einziger, größerer Ort Yiwu heißt. Dieser Ort mitten im Nichts, weit abseits der großen, chinesischen Metropolen, ist sogar aller Abgeschiedenheit zum Trotz noch relativ günstig erreichbar.

Auf den Info- und Reiseseiten von Stefan Krause sind weitere Details zu den "Stationen" dieser Finsternis vom 1.8.2008 erläutert.

Geplanter Beobachtungsplatz bei N 54°40'37" + E 82°54'32"

 

Aus Zeitgründen unternehme ich zu dieser Finsternis nur eine eine Kurzreise nach Novosibirsk. Die Ankunft am Flughafen Tolmachevo erfolgt noch am 1.8.2008 in den Morgenstunden gegen Sonnenaufgang. Anschließend erfolgt ein Bustransfer zum Beobachtungsplatz.

Auf der linken Karte ist der geplante Beobachtungsplatz zu erkennen. Er liegt südwestlich der Stadt Novosibirsk am Südufer des Sees Novosibirskoje Vodochranilsce. Der bekannte Ob-Fluss mündet in diesen Stausee, bevor er am Südwest-Ende des Sees seinen Weg weiter fortsetzt.

Der Standort ist günstig zur Finsternisbeobachtung, denn das Herannahen des Kernschattens in den Augenblicken vor der Totalität kann sehr schön über der weiten Wasserfläche des Sees beobachtet werden. Bis zum gegenüberliegenden Seeufer sind es ca. 38km. Im Bereich der Zentrallinie am See beträgt die Dauer der Totalität 2m19s.

Es gibt sogar direkt von der Zentrallinie dieses Foto, dass allerdings nur wenig mehr als den See selbst zeigt. Nur 1,94 km weiter in östlicher Richtung ist dieses Bild gemacht, und in 7,5 km Distanz östlich zur Zentrallinie bietet sich diese Ansicht der Umgebung.

Weitere Fotos des Sees (alle Panoramio) gibt es hier

 

 

Die Zeiten der Sonnenfinsternis am geplanten Beobachtungsplatz bei N 54°40'37" (54.67696°) und E 82°54'32" (82.90891°)

 

Ereignis Zeitpunkt (UT) Zeitpunkt Ortszeit Alt Az
Beginn partielle Phase C1 09:41:58.8 16:41:58.8 +38.8° 243°
Beginn Totalität C2 10:44:42.2 17:44:42.2 +30.3 257.9°
größte Finsternis mid 10:45:52.2 17:45:52.2 +30.1 258.2°
Ende Totalität C3 10:47:01.8 17:47:01.8 +30.0° 258.4°
Ende 2. partielle Phase C4 11:45:48.1 18:45:48.1 +21.5° 270.8°

Im August gilt in Novosibirsk die Sommerzeit "NOVST" als Ortszeit. Diese liegt 7 Stunden vor UT oder 5 Stunden vor der MESZ.

Ohne die NOVST, also außerhalb der Sommerzeit gilt die Standard-Ortszeit UT+6.

 

 

Die Himmelsansicht während den 139 Sekunden der schwarzen Sonne für N 54°40'37" und E 82.54'32" (Novosibirsk am Ob-Stausee)

 

Wie ein Zeiger aus Planeten, der zur Sonne zielt: Gleich 4 Planeten stehen am Totalitäts-Himmel. Die Grafik zeigt alle Planeten und Sterne um die Sonne, deren Helligkeit mindestens 2 mag beträgt. Es gibt einiges zu sehen. Merkur (-1.8mag) und Venus (-3.9mag) werden sich wegen ihrer Sonnennähe auf vielen Fotos der Finsternis verraten. Mars mit 1.7mag und Saturn mit 0.8mag sind da schon schwerer auszumachen, sollten aber auf den zweiten Blick erkennbar sein. Alle Planeten reihen sich östlich der schwarzen Sonne wie auf einer Perlenschnur entlang einer Geraden und "zeigen" regelrecht auf Sonne und Mond.

Procyon (0.4mag) und das Pärchen Castor (1.58mag) und Pollux (1.22mag) sowie Capella stehen zur Mitte der Finsternis westlich der Sonne, und es ist an diesem Sofi-Tag die zweite Chance, all' diese Sterne noch einmal zu sehen! Zum ersten Mal gelingt die Sichtung nämlich schon am Morgen des 1.8. vor Sonnenaufgang mit allen genannten außer dem zu weit südlich stehendem Procyon - klaren Blick zum Himmel vorausgesetzt. Dazu kann man sich die oben stehende Grafik für 5:00 Uhr Sommerzeit Novosibirsk ansehen.

 

 

Die Altlicht-Mondsichel am Morgen des 1. August 2008 - unter besten Bedingungen noch sichtbar!

Mit vorrangig glasklarem Himmel, viel Glück und einem Teleobjektiv oder Fernglas kann man um 05:01 Uhr NOVST vielleicht sogar die ultraschmale Sichel des Mondes mit gerade mal 0.4% Beleuchtung 13 Stunden und 12 Minuten vor dem Neumondzeitpunkt um 18:13 Uhr NOVST Lokalzeit in 6° Distanz zur Sonne sehen. Das ist zugegebenermaßen ein Extremsport, aber nicht unmöglich.

 

 

 

 

Wo passiert was - der event & object quickfinder

Oft hat man vor der Sonnenfinsternis nicht die Gelegenheit, den endgültigen Beobachtungsplatz probe halber eingehend zu inspizieren. Dann ist die Frage, ob sich im Verlauf der Finsternis möglicherweise störende Objekte (Bäume, Berge) im Sichtfeld befinden. Kein Problem mit dieser Windrosen-Skala.

Sie zeigt zumindest für das Azimuth (Horizontrichtung) alle wichtigen Ereignisse auf einen Blick und gilt für 3 Zeitpunkte: Erster Kontakt (U1), Totalität mit Darstellung des Azimuth für alle Planeten und einige helle Sterne und den letzten Kontakt (U4). Die Objekthöhenangaben (Alt) und die Himmelsrichtungen (Az) gelten nur für Novosibirsk und Umgebung und sind speziell für den geplanten Beobachtungsplatz am Ob-Stausee berechnet. Bitte nicht für andere Orte als Referenz heranziehen.

Am Stausee angekommen, brauche ich nur die Karte mit dem Kompass einzunorden, die Missweisung für den 1.8.08 und die Stadt Novosibirsk von 8 ° zu berücksichtigen und schon sehe ich, ob mein Standort optimal ist. Diese Karte führe ich in laminierter Form mit mir:

 

 

Was geschieht zuhause? Hier die Kontaktzeiten für meine Heimat in der Mitte des Saarlandes:

In Deutschland ist von dieser Sonnenfinsternis, die ich in der Ferne als Totale beobachten will, nicht viel zu beobachten. Zu nicht einmal 9% bedeckt der Mond in Eppelborn im Saarland die Sonne - das ist fürwahr eine bescheidene, partielle Finsternis.

 

Für alle Saarländer hier die Kontaktzeiten in lokaler Ortszeit MESZ, berechnet für: N49°24'21" und E6°57'41"

 

Erster Kontakt: 10:45:21 (UT 08:45:21), Höhe 43.2°

Größte Finsternis: 11:28:21 (UT 09:28:21), Höhe 49°, Exakter Grad der Bedeckung 8,47%

Letzter Kontakt: 12:11:51 (UT 10:11:51), Höhe 54°

 

Spannend ist ein Ereignisvergleich zwischen dem Saarland und dem See bei Novosibirsk:

Wenn der erste Kontakt um 10:45:21 MESZ im Saarland beginnt und die Amateurastronomen dies im Teleskop registrieren, sind vielleicht manche Beobachter im sibirischen Novosibirsk noch mit dem Aufbau ihrer Instrumente beschäftigt. Zeit dafür ist noch genug, denn hier dauert es noch 57 Minuten, bis der erste Kontakt beginnt. Wenn dieser Zeitpunkt erreicht ist, haben die Saarländer die "greatest eclipse" schon vor 13 Minuten mit 8,47% Bedeckung gesehen.

Wenn die Saarländer um 10:11:51 UT (12:11:51 MESZ) nach dem letzten Kontakt beginnen, ihre Instrumente allmählich wieder abzubauen, ist die partielle Phase in Sibirien gerade erst seit 29 Minuten im Gange. Der Mond hat die Sonne am Ob-Stausee zu 36% verfinstert, und den aufmerksamsten und erfahrenen Beobachtern wird im Fall von ganz klarem Himmel bereits jetzt eine minimale Abnahme des Umgebungslichtes aufgefallen sein. Von jetzt an sind es noch rund 35 Minuten bis zum zweiten Kontakt - während man im Saarland bereits ein etwas verspätetes Mittagessen zu sich nimmt!

Wenn dann um 12:44:42 MESZ die ersten, eifrigen Saarländer bereits ihre partiellen Fotos in den diversen Internetforen eingestellt haben, klicken in Novosibirsk (hoffentlich) alle Kameras: Ein riesiger Diamantring hat dort gerade den 2. Kontakt und beendet und somit die 2m19s lange (oder kurze?) Totalität eingeleitet. Die Temperatur ist um einige Grad gefallen, Planeten sind am Himmel zu sehen und eine eigenartige Dämmerung mit erkennbaren Aufhellungen aus westlicher und östlicher Richtung. Zur gleichen Zeit im Saarland: Die Sonne brennt. Da nutzt es nichts, dass der westliche Mondrand auch nur 23 Bogenminuten vom östlichen Sonnenrand entfernt ist - no eclipse visible! Grund: Novosibirsk ist von Deutschland rund 4.400 km Luftlinie entfernt.

 

Fotopläne

Und es dreht sich doch:

Bilder wie von Geisterhand - mehr Zeit zum Schauen für die Finsternis!

Hier möchte ich meine Fotopläne für diese Sonnenfinsternis vorstellen. Dieses Mal werde ich keine einzige Kamera während der Totalität selbst bedienen, oder gar zwischen verschiedenen Stativen herumspringen. Eine 2m19s total verfinsterte Sonne wird mich auf meiner 2008-Reise erwarten, und diese kurze Zeit möchte ich einfach nur mit Schauen und Staunen verbringen.

Ziel ist, mit einem durchdachten Fotoplan eine spätere, sinnvolle Ausarbeitung der Fotos dieser Sonnenfinsternis vom 1.8.2008 zu ermöglichen. Als Orientierung dient mir dazu diese Anleitung mit Foto-Belichtungsreihen von Miloslav Druckmüller. Seine Fotos haben in Sachen Sonnenfinsternis-Fotografie neue Maßstäbe gesetzt, wovon man sich jederzeit auf seiner Seite überzeugen kann.

Kurz vor der totalen SoFi am 29. März 2006 veröffentlichte Fred Bruenjes seine PC-Software "Eclipse". Mit ihr lassen sich bis zu 4 Kameras vollautomatisch anhand eines vorher selbst festgelegten Fotoplanes auslösen. Das funktioniert entweder für die gesamte Dauer der Finsternis oder nur für die Totalität - ganz nach Akku-Leistung des Laptops! In den wenigen Tagen, die vor dem 29. März noch blieben, war mir die Zeit zum Ausprobieren einer neuen Software einfach zu knapp und das Resultat zu ungewiss.

Doch inzwischen weiß ich: Die Tests der Kamera-Steuerungsprogramme sind erfolgreich und mit höchster Präzission abgelaufen. So steht für mich fest: Die nächsten Bilder macht der PC. Die Technik ist in der Lage, erheblich mehr Bilder zu schießen und das zuverlässiger, als man es selbst in dieser aufregenden Situation könnte.

Durch die Eindrücke der heranrasenden Totalität ist man so aufgewühlt und es erfordert höchste Konzentration, eine Kamera auszulösen und dann auch noch eine Belichtungsreihe abzuarbeiten. Aber Bilder sind nun mal die schönsten Souvenirs einer Finsternis, auf die man ja nicht verzichten muss.

Details zur Kameraausrüstung:

1. Digital: Canon EOS 400d + Maksutov 5.6/500 (Brennweite 800mm), Steuerung per PC mit "Eclipse Orchestrator" von Fred Bruenjes

2. Digital: Canon EOS 350d + Sigma APO-Zoom 70-300mm bei 250mm Brennweite, Steuerung per PC mit "Eclipse Orchestrator"

3. Analog: Canon EOS 3000N + 80mm, Auslösung per Canon-Universal-Timer von Thomas Tuchan

4. Analog: Canon EOS 3000N+ 500mm, Auslösung per Canon-Universal-Timer von Thomas Tuchan

5. Digital: Ricoh Caplio R5 bei 28mm, Auslösung per Auto-Intervall alle 5s, auf automatischer Drehvorrichtung für 360°-Mein Eigenbau

zusätzlich: Erfassung von Temperatur und rel. Luftfeuchte im Minutentakt mittels Datenlogger

Die Nachführung auf die Sonne erfolgt mit meiner bewährten EQ2-Reisemontierung inkl. RA-Nachführ-Motor auf dem Berlebach- Holz-Stativ. Set 1 + 2: Eine Canon EOS 400d (mit MTO 500 x 1,6) und EOS 350d (mit Sigma APO 70-300 bei 250mm) werden per Laptop mit der beschriebenen Kamera-Software von Fred Bruenjes mittels USB- und RS232-Ansteuerung ausgelöst. Außer dem Abnehmen der Sonnenfilter für die partiellen Phasen ist an diesen Optiken nichts zu tun.

Set 3 + 4: Hier erfolgt die Auslösung von 2 ANALOGEN Canon-Kameras ebenfalls automatisch mit einem Eigenbau von Thomas Tuchan (Link oben!). Leider können ohne weiteren Eingriff nur 3 feste Auslösezeiten verarbeitet werden.

Set 5: Vollautomatisches Panorama

Ein Landschafts-Panorama mit einer 360°-Ansicht des Finsternis-Himmels soll ebenfalls gemacht werden. Und auch hier wird kein einziger Eingriff während der totalen Phase der Totalität von mir gemacht. Dazu benutze ich 2 Dinge: Eine Ricoh-Digitalkamera des Typs Caplio R5 und ein geheimnisvolles Kästchen, auf das ich später näher eingehe.

Die Ricoh- Digicam kann mit einer schnellen SD-Speicherkarte Intervallaufnahmen im Abstand von 5 Sekunden machen, sogar mit der AEB-Bracketing-Funktion. Das ermöglicht 3 Aufnahmen mit einem Auslösezeitpunkt, und das alle 5 Sekunden. Einmal gestartet, macht die Kamera die Bilder selbsttätig. Das geht auf Wunsch so lange, bis der Lithium-Ionen-Akku erschöpft ist. Tipps zu Kameras, die Intervallaufnahmen machen können stehen weiter unten im Text.

Bei einer Brennweite von 28mm sind ca. 10 Aufnahmen nötig, um den gesamten Horizont im Hochformat abzulichten. Weil ja auch hier kein händischer Eingriff gemacht werden soll, kommt eine selbstgebaute Eigenkonstruktion ins Spiel:

Panorama auf Knopfdruck:

T E P M - Turbo Eclipse-Panorama Maker - Eigenbau aus dem Hause Birkner

Nach diversen Aufenthalten im Bastel- und Elektronikladen und einigen Stunden in der Werkstatt meines Schwiegervaters entstand am 31.12.2006 die voll reisetaugliche Plattform zur Erstellung automatischer Panorama-Fotos während der Totalität - der so genannte Turbo Eclipse-Panorama Maker.

Turbo Eclipse Panorama-Maker mit Ricoh R5 und 9V-Batterie.

Dieser Selbstbau besteht aus einem Kunststoff-Gehäuse, einem Intervallschalter mit 9-V-Blockbatterieansteuerung, zwei 1.5-V-Mignonbatterien für den Drehmotor, einer Winkel-Befestigungsschine für leichte Kameras und ein paar Knöpfen und Schaltern. Die Gesamtkosten für alle Teile belaufen sich auf etwa 50 Euro und die eigentliche Box war in ca. 3 Stunden zusammengezimmert.

Die optische Achse entspricht fast genau der Drehachse, und dadurch sind bei lotrechter Aufstellung der Box "schiefe Linien" quasi ausgeschlossen.

 

Hier erkennt man die Einstell-Regler und Schalter für die Pausen-Zeit, Dreh-Zeit sowie für die Stromversorgungen.

 Praktischer Weise lässt sich  die Box einfach irgendwo aufstellen oder auf ein Stativ schrauben. Mit einer Dosenlibelle kann der Turbo Eclipse Panorama-Maker korrekt nivelliert werden.

Die Kamera- Winkelschiene erlaubt zusätzlich die Aufnahme einer zweiten, leichten Digitalkamera!

Es handelt sich um eine kleine Kunststoffbox, die eine (oder optional zwei) kleine Digitalkameras in festgelegten Intervallen um 360° drehen kann. Dabei lässt sich die Kamera derart anbringen, dass sich der Drehpunkt nahe dem sog. Nodalpunkt befindet. Dies ist wichtig, um keinen wesentlichen Versatz bei der Drehung der Kamera um die eigene Achse zu erzeugen. Krümmungen bei der späteren Panorama-Erstellung am PC sind größtenteils ausgeschlossen.

Die Box hat einen regelbaren Intervallschalter, der eigentlich eine 12-V-Stromversorgung benötigt. Tests haben aber gezeigt, dass eine 9-V-Blockbatterie ca. für 45 Minuten schon ausreichend Strom für den Motor liefert, was für eine Finsternis mehr als ausreichend ist. Dank dieses Umstandes habe ich quasi keinen Gewichtsaufwand - statt eines schweren 12-V-Blei-Akkus reicht eine leichte 9V-Blockzelle völlig aus! Innen befindet sich neben dem elektronischen Intervallschalter, für den die 9-V-Batterie benötigt wird, noch ein Fach mit zwei 1.5-V-Mognon-Zellen. Sie versorgen lediglich den Motor, der die Kamera dreht. Den Drehimpuls erhält der Motor vom Intervall-Schalter. Ursprünglich war der Motor in einer Dreheinrichtung für Disco-Kugeln eingebaut und kostete 6,95 Euro zum Sofort-Kaufen!

Ganz wichtig:

Man braucht auf jeden Fall eine Kamera mit Intervall-Auslöser, sonst nutzt aller Basteleifer gar nichts. Die meisten auf dem Markt befindlichen Digitalkameras verfügen leider nur über automatische Auslöse-Intervalle im Abstand von 10-30 Sekunden. Soweit mir bekannt ist, hat nur Ricoh in allen Modellen der Caplio-Serie R5, R6, R7 eine Intervall-Auslösung ab 5 Sekunden. Eine Zwischenlösung bringt Nikon für einige Kameras der Coolpix-L-Serie, die mit 10-Sekunden-Abstand Intervallbilder schießen können. Auch Pentax hat digitale Kompaktkameras mit 10-s-Intervallauslösung.

In der Praxis hat sich der Turbo-Eclipse-Panorama-Maker exzellent bewährt und wird somit bei künftigen Sonnenfinsternissen eingesetzt. Ein komplettes Panorama kann im Schnellverfahren innerhalb 60 Sekunden erstellt werden. Zusätzlich liegt mittels der Bracketting-Funktion der Ricoh R5 jedes Einzelbild 1x über-, 1x unter- und einmal "normal belichtet" vor.

Plan B : ganz ohne Plan!

Die besten Pläne nutzen nichts, wenn z.B. beim Transport ein Teil Schaden genommen hat oder aufgrund der vorherrschenden Wettersituation am E-Day der Fotoplan keinen Sinn mehr macht. Weniger ist stets mehr. Und so muss ggf. das eine oder andere Experiment ausfallen. Mit Gewalt möchte ich keines der Vorhaben durchführen - der gesamte Fotoplan ist für eine Schönwetter-Eclipse angedacht!

Zugegeben sind 5 Kameras ein großes Vorhaben. Zugegeben waren aber auch die Vorbereitungen umfangreich wie nie!

 


 

 

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