Ein perfekter Tag:

Das war der Merkurtransit

vom 7. Mai 2003*

Der Auftakt im Sensationsjahr 2003 - Ein voller Beobachtungserfolg mit event No.1!


Beobachtung des Merkurtransits: Der Planet Merkur wandert vor der Sonnenscheibe vorüber

Beo-Zeit: 07. Mai 2003, 7.10 Uhr - 12.32 MESZ

Beo-Ort: Kewelsberg(420m) in Wehingen bei Tünsdorf, westliches Saarland.

Wetterbedingungen: freie Sicht zur Sonne, Seeing mäßig, hohe Luftunruhe, aufkommende WIndböen

Beo-Ausrüstung:

 

1. Meade-Refraktor 900/1000 auf Gemini-10-Motornachführung, trägt folgende Kameras:

- EOS50+9mm Okular(111-fache Vergrösserung), Filmmaterial Fuji ProVia F100+Kodak EktarChrome 100

- Sony CCD-TRV 67E mit Olympus Telekonverter 1.5 (Gesamtzoom 30fach optisch)

- Olympus Camedia 3010+Okularadapter 9mm (kurzzeitig)

2. Russentonne 1000mm auf EQ2-Nachführung+Motor RA, trägt folgende Kamera:

- Canon EOS 300+Okularadapter ohne Okular, dadurch Effektivbrennweite 1450mm, Filmmaterial Fuji ProVia F100+Fuji Velvia 50

 


Hier der Stimmungsbericht von diesem fantastischen Tag...

Nach der Vorlesung der Lottozahlen doch noch ein Bericht in der Tagesschau. Erwähnt wird der "seltene Merkurtransit, der zu den Finsternissen gerechnet wird". Einige Teleskope sind zu sehen, und deren Benutzer dahinter. Immerhin ist das Schauspiel in den ARD-Hauptnachrichten angesprochen. Der 20-Sekunden-Trailer endet mit dem Hinweis auf den nächsten Transit bei uns im Jahre 2016. Dann der Wetterbericht mit der Ankündigung von Gewittern...

Doch der Reihe nach, und von Anfang an. Dieser 7. Mai 2003 beginnt für mich um kurz nach 2 Uhr früh. Nach einem kleinen Imbiss nebst Kaffee überlege ich noch mal, ob ich wirklich alles im Auto habe. Bereits am Vorabend ist alles verstaut, nur die Videokamera hängt noch am Ladegerät, um dem HiPower-Accu noch das letzte bisschen Energie einzuflößen. Dazu die 2 Kannen Tee und das Proviant-Paket für den Vormittag, und auf geht's auf die Piste. Ziel ist Wehingen bei Tünsdorf, nahe an der Grenze zu Luxemburg.

Die Wolken vom Vorabend sind noch nicht ganz vertrieben, doch hier und da blinken einzelne Sterne hervor. Es ist mal wieder typisch, da steht eines der Jahres- events wenige Stunden bevor, und wir haben Wolken! Doch das ist besser als Regen. Der Radiomoderator vom WDR wirkt auch noch nicht wirklich wach. Er spielt eine Platte von Bruce Springsteen. Und der beginnt seinen Titel auch noch mit "it's raining". Na klasse!

Es ist kurz vor halb vier, als ich am Spechtelplatz ankomme. Hier oben bläst der Wind kräftig, und es ist mit 3°C wirklich alles andere als frühlingshaft. Rundum komplett bewölkt; ich fürchte, das frühe Herkommen war umsonst. Ich brauche den Polarstern, um die Nachführung des Refraktors einigermaßen korrekt einzustellen. Das Teleskop wird dann ohne weiteres Zutun die Sonne verfolgen. Auch die Reisemontierung, die die Russentonne auf einer EQ2 trägt, will ich so genau als möglich auf den Himmelspol ausrichten. Doch wenigstens für kurze Zeit muss der Polarstern zum Justieren sichtbar sein. Ein Igel wundert sich über den frühen Besuch heute morgen.

Ich baue nach und nach die Geräte auf. Eine große Kunststoffplane ist auch im Gepäck dabei, um die Geräte abzudecken, falls es regnet. Wie so oft kommt es anders. Schneller als ich schauen kann, lockert die Wolkendecke wieder auf, und mein benötigter Polarstern steht freudestrahlend im Polsucher-Fernrohr! Fast schlagartig ist es rundum klar, nur in Richtung aufkommende Morgendämmerung ist noch ein schmaler Wolkentrichter übrig. Das sieht gut aus für den Merkurtransit.

Für den Spechtelplatz Wehingen habe ich folgendes timetable mit den wichtigsten Zeiten des Tages vorbereitet:

Timetable for 2003 May 07, Tünsdorf

Aufgang Mars : 02:58, -0.1mag

Anfang astronomische Dämmerung : 03:39

Anfang nautische Dämmerung : 04:38

Aufgang Venus : 05:17, -3.9mag

Anfang bürgerliche Dämmerung : 05:25

 

 

Sonnenaufgang: 06:03

Merkur tritt in die Sonnenscheibe ein : 07:09:56, Sonnenhöhe 9,26°

Merkur ist vollständig in die Sonne eingetreten : 07:14:19, Sonnenhöhe 10,07°

Geringste Distanz zum Sonnenmittelpunkt : 09:52:23, Sonnenhöhe 35,27°

Merkur beginnt, die Sonne zu verlassen : 12:27:18, Sonnenhöhe 54,52°

Merkur hat die Sonne verlassen :  12:31:41, Sonnenhöhe 55,11°

 

Gegen 6.00 Uhr bin ich fertig mit dem Aufbau der Teleskope, die jetzt in Richtung Osthorizont zeigen. Die Sonne steht um kurz nach 6 zwar schon über dem Horizont, doch sie hat sich zuerst  durch eine kleinere Wolkenbank durchzumogeln. Morgenrot liegt darüber. Gerade mal 6° zeigt das Thermometer, und der Wind tut sein übriges zu diesen Temperaturen. Kurz darauf trifft Manfred ein und baut seinen Maksutov samt Windschutz auf. Das ist schnell passiert, weil er das Teleskop bloß auf sein Berlebach-Stativ aufsetzen muss.

Es ist soweit, um 6.45 steht eine feuerrote Sonne vor uns. Der Blick durch den noch filterlosen Refraktor zeigt einen wabernden Glutball. Und zur Verschönerung der Optik gibt es einen schönen Sonnenfleck (mit Nummer 351) fast mittig in der Sonnenscheibe. Der Countdown läuft. Wenige Minuten vor dem Eintritt Merkurs in die Sonnenscheibe stelle ich fest, dass trotz der Sonnenhöhe von 10° das Sonnenfilter zuviel Licht abblockt. Ich entscheide mich, den Eintritt ohne Filter zu fotografieren und kriege eine Belichtungszeit von 1/4000 als Idealwert. Um 7.09 ist es dann soweit. Wie ein Luchs lauere ich durch den Kamerasucher, der am Meade-Refraktor hängt.

Feine Sache, das Wetter spielt mit und wir können von Anfang an dabei sein. Der für diesen Platz errechnete Zeitpunkt vergeht, ohne dass ich etwas am Sonnenrand erkenne. Plötzlich eine Änderung am Sonnenrand. Um 7:12:20 (Auswertung Videokamera) erkenne ich definitiv, wie sich Merkur in die Sonne traut! Die Luftunruhe ist eine Katastrophe, der Ausschnitt flimmert stark. Der Planet ähnelt einem kleinen Dreieck, dass sich in die Sonnenscheibe bohrt! Ja- da ist er! Kein Zweifel, der Transit hat begonnen. In den Momenten relativer Luftruhe und Windstille mache ich einige Bilder. Manfred und ich kommen überein, dass der Planet um 7:16:02 (Auswertung Videokamera) vollständig vor der Sonnenscheibe steht.

Zeit für eine Frühstückspause. Und die obere Etage bleibt uns milde gestimmt. Kein Wölkchen weit und breit. Allmählich steigen die Temperaturen über 13°. Das Seeing ist wirklich nicht das beste, Dunst ist überall in den Tälern zu sehen, aber wir sind froh, den Transit beobachten zu können. Wir können völlig stressfrei arbeiten, es bleibt noch viel Zeit bis zum Austritt gegen 12.30 Uhr. Und ruhig ist es auch hier oben. Wir sind die ganze Zeit ungestört.

Ich nehme die Kamera ab und beobachte direkt durch das Okular der Russentonne, und dann durch den Refraktor. Merkur steht perfekt kugelrund und scharf begrenzt in der Sonnenscheibe. Obwohl es sich um eine recht kleine Kugel handelt, ist mir bewusst, den Merkur kaum noch in diesem Größenumfang innerhalb der nächsten Jahre beobachten zu können. Jetzt steht er im Gegenlicht, und wir blicken auf seine unbeleuchtete Seite. Ich stelle mir vor, was man in diesem Moment auf seiner sonnenzugewandten Seite sehen würde. Das Zentralgestirn ist von hier aus ein Glutball, der 7x so groß am Himmel steht wie bei uns. Wendet man den Blick von der Sonne weg, schaut man dennoch in einen tintenschwarzen Himmel. Und das Thermometer zeigt unfassbare 480°C zur Mittagszeit. Ein Backofen ist ein Gefrierschrank dagegen! Wir würden augenblicklich geröstet. Kein sehr gastlicher Platz, Luft zum Atmen ist sowieso keine da. Es ist überhaupt nichts da, was an eine Atmosphäre im klassischen Sinn erinnert.

Zurück mit den Gedanken an unseren wohltemperierten Spechtelplatz bei Wehingen im Saarland, wo das Thermometer 23°C anzeigt. Abgesehen von einigen Windböen haben wir keinerlei Beobachtungseinschränkungen. Marc meldet sich aus Halle. Den Eintritt konnte er nicht beobachten, Wolken versperren die Sicht, und ihm bleibt im Moment nur, eine Webcast aus Norwegen anzuschauen. Doch er ist guter Dinge, die Wolken sind locker.

Scheinbar im Schneckentempo bewegt sich der kleine Flinke weiter auf seinem Sonnenpfad und steht um 09:54 in geringster Distanz zum Sonnenmittelpunkt. Ich bekomme eine SMS von Marc mit der prägnanten Wortmeldung: "Sichtung!". Es gibt also doch Gerechtigkeit. Gut, dass das event so lange dauert!

Doch die Zeit vergeht schnell, und zwischen Merkurbeobachtung und Plaudern verschwinden auch die letzten Frühstücksreserven und Getränke. Reste werden nicht gemacht. Mittlerweile hat auch der auffällige, große Sonnenfleck seine Position merklich verlagert. Merkur strebt wieder zum Sonnenrand. Es ist 12.00 Uhr mittags. Zeit, sich für den Austritt zu rüsten. Und je näher Merkur zum Rand wandert, umso klarer wird, wie schnell seine Bewegung tatsächlich ist.

Wieder wird es spannend. Um 12:28:11 (Auswertung Videokamera) bilde ich mir ein, Merkur in Tropfenform am Sonnenrand zu sehen. Die Sichtbedingungen sind deutlicher als heute früh; wegen des hohen Sonnenstandes. Jetzt bekommt Merkur die Form eines Omegas. Wir rufen uns gegenseitig die Phasen zu, die wir beobachten. Doch zum Ende meine ich wieder, Merkur in Dreiecksform zu sehen. Sicher ein Täuschungsmanöver vom Instrument, dass an seine Vergrößerungsgrenzen stößt. Der Austritt vergeht sehr schnell, und um 12:32:18 sind wir sicher, dass Merkur die Sonnenscheibe verlassen hat. Es ist vorbei! Das war der Merkurtransit 2003! Und da ist wieder dieses schöne Gefühl, für einen Moment Einblick in dieses unendliche, kosmische Uhrwerk gehabt zu haben, das niemals stillsteht. Manfred und ich scheuen uns zufrieden an und sind froh, einmal mehr zur rechten Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Erst jetzt habe ich eine Vorstellung davon, wie groß Merkur im Teleskop erscheinen kann. Bitter.

Zeit zum Aufbruch. Alles wieder einpacken. Bis alles im Wagen verstaut ist, vergeht fast eine weitere Stunde. Zwischenzeitlich tausche ich mich telefonisch mit Marc aus, der den Austritt dann doch miterleben konnte. Ich bin müde, und will nach dem Abgeben der Filme nur noch in mein Bett. Und um 20.00 Uhr beginnt für mich der zweite Morgen an diesem Tag. Ohne Kaffee. Mal sehen, ob die Tagesschau das Thema erwähnt. Und doch. Nach den Lottozahlen bekommt der Merkurtransit einen 20-Sekunden-Auftritt. Aber das steht ja dann schon am Anfang von diesem Bericht.

>>>> Moment mal, wo sind denn die Bilder? Hier geht's lang! >>>>

Hintergrundwissen zum Merkurtransit auf der Vorbericht-Seite


   

Zugriffszähler