Warum müssen immer
alle Fernreisen wie ein scheinbarer Zwang mit dem Ritual des extrem
frühen Aufstehens beginnen? Um 2.45 ist Schluss mit Nachtruhe, denn
Heike und ich stehen vor dem größten Abenteuer unserer bisherigen,
gemeinsamen
Jahre. Mitunter besonders abgelegene Winkel dieses Planeten sind
das Ziel, die Hochzeitsreise führt uns über New York und LA zunächst
nach Tahiti, wo wir an Bord unseres Schiffes, der MV Discovery gehen.
Wir schippern nach Pitcairn, beobachten die totale
Sonnenfinsternis und besuchen Tage danach unsere neue Bekannte Stephanie
Pauly auf den Osterinseln. Der nächste Landkontakt in Südamerika ist
erst 5 Tage später, wenn wir in Peru die Umgebung von Pisco und die
Stadt Lima besuchen. Der
Rückweg führt ein zweites Mal in den Big Apple, erst danach steht die
Heimreise an. Und das soll wirklich jetzt beginnen? - ich glaub's ja
nicht!
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Unsere Reiseroute |
Mit Schlips zur Eclipse !
Ausnahmsweise
beinhaltet unser Gepäck dieses Mal mehr Kleidung als technische
Ausrüstung, allerdings ist es für mich ein absolutes Novum, für eine
Sonnenfinsternis-Reise mit diversen Krawatten ausgestattet zu sein.
Formelle Kleiderordnung ist zumindest bei den diversen Captains- Dinner
Abenden üblich, wie auf jedem Ozeandampfer. Doch der größte Teil an
Klamotten ist natürlich der Südseeregion angepasst, erwartet uns doch
ein Temperaturgefüge von 20-35°C. Die Fototechnik beschränkt sich in
erster Linie auf Normal- und Teleobjektive, ein Teleskop samt Montierung
bleibt dieses Mal zuhause, obwohl es unter den südlichen Sternenhimmel
geht. Ein Schiff ist keine geeignete Astronomie-Plattform!
Nachdem mein
Frühstück etwas knapper als sonst ausfällt, bringen uns Heikes Eltern
zum Frankfurter Flughafen. Der Himmel ist glasklar, nicht die geringste
Wolke trübt die Sicht. Während der Fahrt sehe ich über dem Südhorizont
das Sternbild des Skorpions, und wie immer zuhause, bestenfalls nur zur
Hälfte. "Nicht mehr lange", denke ich mir, denn ab Tahiti werde ich das
große Sternbild der Skorpions in vollem Umfang bestaunen. Der weit
südlich der Ekliptik und somit sehr tief stehende Mond, im letzten
Viertel zur Hälfte beleuchtet, sieht in der Morgendämmerung wunderschön
aus. Tja, nun ergibt sich endlich mal taugliches Wetter bei uns, und wir
flüchten freiwillig davor!
Am Flughafen treffen
wir vor den Check-in Terminals der Singapore-Airlines auf Wolfgang Ott,
der sein Gepäck schon aufgegeben hat. Elke hat ihn zum Flughafen
gebracht, sie ist bei der Reise leider nicht dabei, sodass ein baldiger
Abschied bevorsteht. Eine Stichprobenkontrolle trifft unsere Koffer, die
wir hier zum ersten Mal öffnen dürfen. Überdies treffen wir Dirk Ewers
beim Check-in. Wie wir alle, hat auch er über Stefan Krause (www.eclipse-reisen.de)
diese Reise gebucht. Klaus Engeländer, den wir von der Afika-2002-Reise
kennen, hat die Verabredung heute morgen irgendwie verpasst; er wollte
die Chance zu einem Treffen nutzen und uns gute Reise wünschen. Erst im
Oktober sind wir wieder gemeinsam auf Tour.
Mit gut 10 Minuten
Verspätung startet der Flug SQ 26 um 08.40 Uhr in Richtung New York. Die
Boing 747-400 ist bis auf wenige Plätze voll belegt. 8 Stunden Flug liegen
vor uns. Wir, das sind Dirk, Wolfgang, Heike und ich, Alexander. Von meinem Fensterplatz in linker Sitzreihe ist der Mond der
optische Schmuck der Tragfläche. Das Multimedia-System an Bord, dass ich
von Flügen dieser Art kenne, ist um eine Spiele- und
Reiseinfo-Komponente erweitert worden. Auffällig ist die gute
Beinfreiheit und die nicht zu engen Sitze, nicht selbstverständlich bei Economy-Flügen. Auch nach vielen Stunden hat sich der Mond kaum von
seiner Position bewegt, die Sonne steht immer noch im Südosten. Vor
Erreichen des amerikanischen Festlandes scheint sich zu bestätigen, was
der Wetterbericht für den Samstag prognostizierte. Geschlossene
Wolkendecke, schon weit vor dem Landeanflug. Erst im Moment der Landung
kann man das Trübsal erkennen. Die Sicht beträgt weniger als 300 Meter,
der Wind peitscht den Regen über das Rollfeld. Das für Heike und mich
neue Land empfängt uns sehr unfreundlich.
Grimmig blickend
winkt uns der Sicherheitsbeamte in der Ankunftshalle zu sich. Die im
Flugzeug vorbereiteten Einreiseformulare geben wir ab. Darin bestätigen
wir unsere gänzlich pazifistischen Reisegründe. Die Reisepässe
kontrolliert der Beamte akribisch. Danach werden Fingerabdrücke des
linken und rechten Daumens genommen, und eine Fotosession gibt's auch
noch. Eine Webcam macht je ein Bild von uns. Wir sind nun in jeder
Hinsicht registriert.
I wanna be a part of it -New
York - New York!
Nach den ersten 6.170
km finden wir uns nun vor dem Gebäude des New Yorker Flughafens JFK und
steigen in unseren Taxi-Transporter zum PAN AM-Hotel ein. Der Fahrer ist
äußerst schweigsam und macht wirklich keinen sonderlich vertrauenswürdigen
Eindruck. Wir passieren einige teils unter knietiefem Wasser liegende
Straßen auf dem Weg durch Queens nach Elmhurst, es hat schon die ganze
Nacht hier geregnet. Der New-Yorker Sound eines Feuerwehrwagens mit
Sirene direkt hinter uns bestätigt, dass wir im richtigen Land sind,
lässt aber unseren Fahrer unbeeindruckt. Bei Rot bleibt man eben stehen!
Etwas entspannter,
dass der Fahrer uns tatsächlich zu unserem Hotel gebracht hat, melden
wir uns an der Rezeption im PAN-AM an. Für dieses Prozedere braucht das Personal
fast eine ganze Stunde, denn eine hektische Suche hinter dem Counter
bringt irgendwann die Bestätigung zutage, dass die Zimmer für Heike,
Wolfgang und mich reserviert und bezahlt sind. Dirk hat Pech; sein
Zimmer sei angeblich nicht bezahlt. Diskussionen führen ins Leere, also
zunächst ein zweites Mal zahlen und später von zuhause klären.
Die Hotelzimmer sind
sehr geräumig und ordentlich. Unser erster Eindruck von einer Bruchbude,
als wir den Flur betreten, täuscht dann doch, denn
Renovierungsarbeiten sind im Gange. Es ist 12.30 Uhr an diesem langen
Tag, als wir für unsere geplante Weltstadt-Tour bereit sind. Wir
beschließen, vor dem Besuch von Manhattan, unsere Flugpläne zu
vergleichen, ob wir die gleichen Fluganbindungen bis Tahiti nutzen
werden. Da kommt die zweite und nun wirklich unangenehme Wahrheit ans
Licht: Dirks Anschlussflug nach LA ist bereits vor einer halben Stunde
gegangen, die Reederei hat ihm offenbar einen falschen Flug zugewiesen.
Was nun? Anrufe führen nicht weiter, und Dirk beschließt, sich am
Nachmittag um einen Anschlussflug direkt am Airport JFK zu kümmern.
Außerdem stellt sich heraus, dass Wolfgang per American Airlines, Heike
und ich mit United Airlines ins kalifornische LA geflogen werden.
Der Regen macht keine
Pause, entsprechend kühl ist es. Wolfgang hat bereits einige New-York-Erfahrung,
und das nicht zuletzt in Bezug auf das gigantische Subway-System. Als
Fortbewegungsmittel kommen Taxis (teuer), die Subway (langsam & billig),
Railroad (schneller & teuer) und teils auch der Sky-Train in Frage. Vom
Hotel aus, dass direkt an einer stark befahrenen Hauptstraße liegt,
gehen wir ein paar Straßen weiter zum Standort Newtown (Grand Ave.) und
steigen in die Subway. Zweifelsohne ist diese U-Bahn-Station uralt,
überall wird geschweißt und repariert, hier und da fehlen einige der
liebevoll gestalteten Mosaiksteinchen aus der Wand. Aber es wäre eben
nicht die NY'er Subway ohne diese Dinge. Wir ernten ungläubige Blicke
einiger Passanten, als wir den U-Bahn-Namen mit uns als Vordergrund
fotografieren. Die Typen in der Subway machen
einen ziemlich verschlafenen Eindruck, ja, man ist unter Umständen lange
zu seinem Ziel unterwegs. Holprig und laut erreichen wir, bei
gelegentlichem Flackern der Beleuchtung, unseren Ausstieg an der
südöstlichen Ecke des Central-Parks/5th Avenue.
Noch bevor wir die
Treppe zum Ausgang erreichen, weist uns der daumenhoch unter Wasser
stehende Gang auf die immer noch vorherrschende Wettersituation hin. Im
Freien auf der Treppe angekommen, verirrt sich mein Blick -in
diesem Moment eher ungewollt
- etwas nach oben und ich traue meinen Augen nicht. Auch Heike schaut
sehr überrascht. Das ist heftig!
Der Blick gleitet entlang den
Häuserfassaden der Wolkenkratzer in die bautechnische Unendlichkeit nach
oben. Gibt's da auch eine Grenze? Scheinbar nicht. Ich ziehe Vergleiche
zu einem Tunnel. Während sich Wolfgang und Dirk - beide bereits mit NY-
Erfahrung - ganz normal auf den Weg machen, kommen wir erst mal aus dem
Staunen nicht mehr raus. Klar kennen wir Wolkenkratzer von Frankfurt.
Oder sogar aus Lusaka, diese unwirkliche, sambische Hauptstadt mitten im
afrikanischen Busch hat so etwas auch. Aber das hier und jetzt ist eine ganz andere Dimension. Wow!
Am nächsten Rotlicht stoppt eine ganze
Batterie aus gelben Taxis. Hektisch huschen die Leute über die Straße,
hier springt jemand in ein Taxi, dort kauft ein anderer eine Zeitung,
ein UPS-Wagen blockiert einen Teil der Fahrbahn, was die meisten zum
Hupen anregt, ein Geschäftsmann findet sein Handy in seinem Jacket
nicht. Ein Pferdegespann samt Kutscher steht am Straßenrand bereit, um
nicht nur Hochzeitspaaren die City zu zeigen. Was heißt City; das ist
eine Beleidigung für diese Dimensionen. Am Rande des Central-Parks geht
es schon etwas ruhiger zu. Und hier gibt es die bekannten
Findlinge und Ablagerungen zu sehen.
Die Grenze zwischen Wolkenkratzern und
Fauna ist hier ein besonders harter Kontrast. Ich sehe meine Pläne,
überwiegend nur im Querformat fotografieren zu wollen, den Bach
hinunterplätschern. Vielmehr glaube ich, das Hochformat muss hier
erfunden worden sein! Nach diesen ersten Eindrücken gehen wir entlang
der 5th Avenue. Breit, schwarz und gut bewacht vom Commander der Lobby,
John McDwyer, steht mit dem Trump-Tower das höchste Wohnhaus der Welt
vor uns. Direkt davor stehend, ist die Spitze des Turmes nicht zu erkennen.
Das Wetter gönnt uns gerade eine Regenpause, als wir an
Tiffanys vorbeimarschieren. Doch beim Rockefeller-Center fällt das Nass
erneut. Es sind einfach zu viele Highlights, als dass man
ausgiebig Zeit zum detaillierten Besichtigen hätte. Wir beschränken uns meist auf die
Außenfassaden der Gebäude mit Ausnahme des World-of-Disney-Stores, an
dessen Eingang uns ein überdimensionaler Goofy begrüßt. Hier leuchten
nicht nur Kinderaugen, denn alleine die aufwendig gestaltete
Einrichtung und Dekoration ist fantastisch. Die
vorbildliche Ordnung im ganzen Laden ist im Anbetracht der
Besucherströme bewundernswert. Und ganz besonders die zweite Etage hat
es mir angetan, denn hier habe ich endlich die günstige Höhe zum
Fotografieren einer der belebten Straßenkreuzungen.
Der Regen legt zu. Gleichermaßen steigt
der Betrieb auf den Straßen an diesem Samstagabend. Da betreten wir
einen Ort der Ruhe, die St. Patrick's Cathedral. Etwas abseits der
Eingangstür sinkt der Geräuschpegel tatsächlich auf ein erträgliches
Maß. Ein krasser Gegensatz zur Hektik des Alltages draußen. Der Altar der Kirche
befindet sich etwas versetzt zur Mitte des Gebäudes, daher ist es
möglich, ihn zu umrunden. An den Seiten befinden sich Bibelszenen,
aufwendig umgesetzt, wieder. Ich schätze gut 200 Besucher in der Kirche,
etliche ins Gebet vertieft.
Vor der Tür gibt es jetzt eine kräftige
Dusche, der Wind hat zugelegt, und das kann nur eines
bedeuten: Zeit für eine amerikanische Pizza! Da kommt die nächste sborro-Filiale gerade recht. Die schreiende Stimme der männlichen
Bedienung hinter dem Counter lässt dem zufälligen Passant außer
Bestellung keine andere Wahl, aber bei dem Hunger wollen wir mal
drüber hinweg sehen. Es ist eine der besten Pepperoni-Pizzas, die ich
jemals gegessen habe. Der selben Meinung ist Heike; Wolfgang und Dirk
wussten ja, was zu erwarten ist!
Für Dirk ist es an der Zeit, seine
Flugverbindung für morgen endlich zu klären. Er verlässt uns, um zum
Flughafen JFK zurück zu fahren. Treffpunkt ist unser Hotel. Unterdessen
machen wir uns zu dritt auf in Richtung Time Square. Und obwohl der Time
Square keine allzu große Ausdehnung hat, wird man hier von einer Flut aus Leuchtreklame erschlagen. Das Auge hat keinen Fixpunkt,
an dem es hängen bleiben könnte. Es ist einfach gigantisch und
unglaublich beeindruckend. Ich registriere eine der vielen NY'er
McDonalds Filialen, ein riesiges Toys'R'us, diverse Kinos, Restaurants
und ein Nike-Schuhgeschäft, in das wir hineinschauen. Geschlossen wegen
Überfüllung, kann man da nur sagen.
Wieder draußen lässt uns ein großes Laufband
wissen, dass Papst Johannes Paul II. gestorben ist. Keine Zeit für große
Gedanken. Das nächste Ziel ist das Empire State Building.
Doch nun bietet zum extremen New York,
der Stadt, die niemals schläft, auch das Wetter sein eigenes Extrem.
Kräftige Winde peitschen den massiven Regen durch die Straßenschluchten,
durch die immer mehr Menschen ziehen. Ein Starkregen der Sonderklasse
fällt auf uns hernieder, sodass wir unter einen Eingang flüchten und etwas
abwarten. Wir arbeiten uns weiter in Richtung des ESB, von Straße zu
Straße. Wir können es schon sehen, aber der Zeitpunkt ist da, dass ein
Weitergehen sinnlos wird. Durchnässt
bis auf die Knochen brechen wir diese Schwimmmeisterschaft ab und gehen
nur noch bis zur nächsten Subway-Station. Inmitten der Peektime bekommt
man nur noch einen guten Stehplatz im Waggon. Zwar war der erste Kontakt mit New
York doch recht nass, aber nicht weniger beeindruckend. "Das hat sich gelohnt"
stimmen Heike und ich überein, als wir in Newtown die Subway verlassen.
In der Umgebung hat das Wetter seine Spuren deutlich hinterlassen.
Ganze Baustellenabsperrungen und Papierkörbe liegen herum, Bretter und
Warnschilder fliegen über der Straße und das Wasser ist zuviel für die
Kanalisation.
Eine wärmende Dusche tut gut. Obwohl es
erst 17.30 Uhr ist, hat dieser Tag für uns eine flugbedingte Überlänge
von 7 Stunden. Etwas Ruhe kommt gerade recht, während es draußen weiter
regnet wie aus Kübeln. Schade. Von Dirk ist noch nichts zu sehen. Ein
paar Stunden Schlaf sollten kein Luxus sein. Gegen 9.00 Uhr meldet sich
Stefan Krause auf meinem Handy. Wir besprechen die Problematik mit Dirks
Fluganbindung, als dieser soeben eintrifft. Er ist nun Standby-Passagier
auf dem gleichen United-Airlines-Flug, den Heike und ich am Folgetag
regulär belegen. Die Chance auf diesen Platz sei hoch, weil oft nicht
alle Passagiere zum Flug erscheinen, berichtet Dirk. So ist also noch
nicht völlig sicher, ob er seine Reise parallel mit uns fortsetzen wird.
Ggf. müsste er mit einer späteren Maschine nachkommen.
Nebenbei erfahren wir, dass in den USA
die Uhren um 2.00 Uhr früh um 1 h vorgestellt werden - day light saving
time! Um 3.45 müssen wir aufstehen. Damit nicht genug, werden wir
ausgerechnet in dieser Nacht um eine weitere Stunde Schlaf beraubt. Es
bleibt immerhin der einzige Diebstahl in NY.
Schlaf? Das ist nicht so einfach, denn
nahe dem Hotel wird eine Geburtstagsfeier veranstaltet. Scheinbar gibt
es nur eine CD, oder, der Player muss hängen geblieben sein! Im Zimmer
über uns rennt zur selben Zeit eine Elefantenherde um ihr Leben und nimmt
das Inventar dabei wohl arg in Mitleidenschaft. Eine Quelle der Entspannung
ist es, dem vergleichsweise leisen Straßenverkehr zu lauschen. Na dann, gute Nacht ...
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