|
Für 4 Tage jenseits des Limits Eine fast Totale Sonnenfinsternis zwischen den Welten TSE 2015-03-20/Saros 120 (61/71)
Stimmungs- und Reisebericht meiner experimentiellen Sonnenfinsternisbeobachtung auf Island vom 18.03.-21.03.2015, Eclipse-Day Freitag 20.03.2015 Alexander Birkner /// Wolfgang Ott
Die Kurzreise ist vorbei und die Totale Sonnenfinsternis vom 20. März 2015 - einem Freitag - Geschichte. Weniger als 4 ganze Tage waren Wolfgang und ich unterwegs in einem Land, in dem der Winter stets rau agierte, und uns die Elemente ihre ganze Kraft demonstrierten.
Der Erlebnis- und Stimmungsbericht - Eine Zusammenfassung:
Geplanter und gewählter Beobachtungsort
Beobachtet hatten wir letztlich an ganz anderer Stelle, nämlich auf einem Bergrücken am Südrand der Gletscherlagune Jökulsarlon. Dieser Ort lag bereits 102 km vom Nordlimit entfernt, doch um das Risiko eines "clouded out" zu minimieren trafen wir die Entscheidung, in der Mitte der prognostizierten Schönwetterzone zu beobachten – mit einer Bedeckung von immerhin noch 99,45%.
Wetter-Prognosen und Entwicklung
4. März eine erste Tendenz zu geeigneten Bedingungen für den Südost-Teil Islands feststellen. Naturgemäß sind diese frühen Wettermodelle eher als Spekulation tauglich denn zur Orientierung. Doch bemerkenswerter Weise veränderte sich dieser Vorhersage-Trend bis zum 20.03. nur unwesentlich. Der Einfluss einer Hochdruckzelle verlagerte sich lediglich schwerpunktmäßig auf den Südteil der Insel; etwa entlang einer Linie Vik – Höfn.
Die Bestätigung dieser Entwicklung war parallel auf vedur.is mit brauchbaren Wolken-Karten festzustellen. Bis zu den Ostfjörden reichte der Einfluss dieses Zwischenhochs leider nicht mehr – sehr zu unserem Bedauern. Dennoch war dieser Verlauf wesentlich besser als beispielsweise im Westen oder Norden Islands eine vergleichsweise langweilige Finsternis mit Bedeckungsgraden um 97-98% anzuschauen.
Maximum eclipse (MAX) : Angaben Eclipse-Calculator (Xavier Jubier)
Die Sonne begrüßte uns zum Aufgang um 07:07 Uhr UT mit einem wunderbaren, grünen Blitz in einem tiefblauen, quasi wolkenfreien Himmel. Dies blieb auch so zum ersten Kontakt, den wir pünktlich um 08:38:54 im Sucher unserer Kamera registrieren konnten. Der zunächst noch böige Nordwind ebbte im Verlauf der nächsten halben Stunde ab und schlief fast völlig ein.
Bei einer Bedeckung von 40% bemerkten wir die Abnahme des
Umgebungslichts. Wir wollten aufgrund der Bewegung des Mondes gar nicht
glauben, dass wir hier und heute keine Totale Finsternis erleben würden!
Unsere beiden auf den Berghang fallenden Schatten wurden zunehmend
schärfer bei 75% Bedeckung. Bei 90% Bedeckung fiel mir wieder dieser
leicht rötliche Schimmer in der Umgebung auf. Ich startete den
Eclipse-Orchestrator am Netbook, der meine Canon EOS 60d mit einem
70-300mm Sigma Apo-Tele @300mm auslösen sollte.
Z.D.F. - Zahlen Daten Fakten und IST-Werte zur Sonnenfinsternis-Beobachtung am 20.03.2015 Berechnungen mit Eclipse-Orchestrator 3.5 (Fred Bruenjes) ermittelter Beobachtungsort: 64°02'35.45"N 16°12'14.29"W Beschreibung: Island, Südrand der Gletscherlagune Jökulsarlon, Hanglage an der Ringstraße mit Blick aufs Meer Distanz zum Nordrand der Totalitätszone: 102,85 km Bedeckungsgrad: 99,45%, Magnitude: 0,99159, Größe Mond zu Sonne 1.04346 Dauer der unveränderten, maximalen Magnitude 0,992: 20s, von 09:39:27.4 UT - 09:39:47.4 UT Kontaktzeiten der Finsternis: ermittelt mit dem Eclipse-Orchestrator 3.5 (Fred Bruenjes)
Vergleich zum Punkt der maximal beobachtbaren Verfinsterung auf isländischem Festland: Berechnungen mit Eclipse-Calculator (Xavier Jubier) Maximale Bedeckung bei 64°48'19.15"N, 13°50'31.31"W, Landzunge bei Breiddalsvik, Ostfjörde Distanz zum Nordrand der Totalitätszone: 60 km Bedeckungsgrad: 99,73%, Magnitude: 0,99490 Dauer der unveränderten, maximalen Magnitude 0,995: 36s, von 09:41:48 UT - 09:42:06.5 UT
Der Vorbericht und die Reiseplanung:
Grafik: Google Earth, Overlay von Xavier Jubier/Eclipse-Calculator (Google Earth Files)
Da kommt eine Totale Sonnenfinsternis endlich wieder einmal ganz nahe an die europäische Heimat, und dann ist es ausgerechnet in den hohen, nördlichen Breiten! Stürme, Schneeschauer, ausgedehnte Tiefausläufer sind im März keine Seltenheit, und so wird diese Finsternis in jedem Fall eine Nervensache. Sichtungserfolgschancen auf den wenigen Festlandbereichen sind gering, und so macht eine Beobachtung aus dem Flugzeug absolut Sinn. Eigentlich... Ich wage im Rahmen eines Kurzaufenthaltes eine Beobachtung auf Island, obwohl nirgendwo auf der Insel die Sonne vollständig bedeckt wird. Aber es ist eine ganz knappe Nummer :). Ich sehe es als sportliche Herausforderung, eine experimentell-fotografische Beobachtung zu wagen. Und so werde ich mit einem Reisepartner vom 18.-21.03. versuchen, was möglicherweise nicht von Erfolg gekrönt wird: Eine Finsternis mit einem Bedeckungsgrad von maximal 99,73%.
Der Punkt der maximalen Verfinsterung liegt auf Island nahe Breidalsvik auf einer kleinen Bucht bei 64°48'19.15"N, 13°50'31.31"W
Was bedeutet das? Einerseits muss man ganz klar von einer tief partiellen Finsternis sprechen. Der maximal mögliche Bedeckungsgrad entspricht nach meinen Berechnungen in etwa dem Moment 27 Sekunden vor dem 2. Kontakt bei einer totalen Finsternis. Dennoch sind Korona und Protuberanzen zu erkennen, sowie verstärkt Bailey's Beads während des 36 Sekunden andauernden Maximums. So lange ist der Bedeckungsgrad 99,73% an der Südost-Küste bei 64°48'19.15"N, 13°50'31.31"W konstant zu beobachten. Prinzipiell ist es erforderlich, während der gesamten Finsternis die Sonnenfilter vor den Kameras zu belassen. Dies wird sehr gut zeigen, wie das verbleibende Sonnenlicht durch die Mondtäler- und Berge scheint und mit Sicherheit einen langen Perlschnur-Effekt zutage bringt. Doch es gibt etwas mehr zu sehen, und deshalb werde ich um den Zeitpunkt des Maximums ohne Filter Aufnahmen machen. Protuberanzen können sich am dunklen Mondrand zeigen, Erfahrungen in diesen Spezialbereichen sind sehr gering, da man für gewöhnlich den Bereich der Totalität zu suchen pflegt - nach Möglichkeit:) Insgesamt 3 voll automatisierte Kameras sind am Start. Das Set 1 besteht aus der EOS 60d mit einem Sigma 70-300mm-Objektiv bei 300mm Brennweite. Die Eigenschaften dieses Objektives verhindern übermäßige Spiegelungen innerhalb der Optik, mit denen aufgrund des verbleibenden Sonnenlichtes zu jeder Zeit zu rechnen ist. Die Kamera wird mit der Software Eclipse Orchestrator 3.5 und einem selbst entwickelten und optimierten Script angesteuert. Außer das Filter vor der Kamera 50s vor dem Maximum zu entfernen ist hier nichts zu tun. Die volle Bandbreite unterschiedlicher Belichtungszeiten wird vollautomatisch abgespult und innerhalb von 90 Sekunden ca 70 Aufnahmen erstellen. Kameraset 2 besteht aus der EOS 400d und der 500mm Maksutov-Optik. Ansteuerung via Universal-Timer von Thomas Tuchan. Hier ist die Belichtung mithilfe der AEB-Bracketing-Funktion auf 3 Zeiten beschränkt. Diese liegen jeweils 2 ganze Belichtungsstufen auseinander und laufen um das Finsternis-Maximum im Endlos-Intervall ab. Die Entscheidung, diese Optik auch zeitweilig ohne Filter zu betreiben ist noch nicht gefallen. Leider erzeugen Spiegelungen durch punktförmige Lichtquellen, wie sie in den Momenten vor Totalen Finsternissen typisch sind, bei dieser Maksutov-Objektivart extreme Artefakte. Aus diesem Grund ist der Einsatz ohne Filterelement nicht unbedingt sinnvoll. Hier sind über 90 Bilder innerhalb etwa 90 Sekunden zu erwarten. Set 3: Aller guten Dinge sind 3, und so wird auf einem Ministativ noch eine EOS 350d mit einem üblichen 18-55mm Objektiv betrieben. Die Kamera wird auf den in 60 km entfernten, vorbei ziehenden Kernschatten gerichtet und wird im Minutentakt je 3 Fotos unterschiedlicher Belichtung schießen. Der Winkelbereich beträgt 65°. Nach meiner Vorstellung müsste sich der Kernschatten über dem Meer als schwarze, schmale Säule zeigen, auf die ich aus einer Entfernung von 60 km schaue. Von einer derartigen Beobachtung liegt mir keine Erfahrung vor. Selbst bei starker Bewölkung hoffe ich, den Kernschatten erkennen zu können. Für die Ansteuerung nutze ich mein iPhone mit einem Zwischenadapter namens Triggertrap. Die Kamera wir also per App ausgelöst, hier kommt wie schon im Set 2 die AEB-Funktion zum Tragen. Die Serie werde ich ca. 15 Minuten vor dem Maximum starten. Was genau mich erwartet an Effekten kann ich gar nicht abschätzen. Deshalb wir meine nunmehr 10. Sonnenfinsternis absolut experimentelles Neuland. Es bleibt spannend. Falls das Wetter mitspielt, und dies wird eine herbe Belastungsprobe. Des weiteren besteht die Möglichkeit, an den Vorabenden Polarlichter zu beobachten. Auch dies ist nach 16 Jahren praktischer Astronomie noch immer ein von mir noch nie gesehenes Phänomen.
Ich werde via Facebook und Twitter im Zeitraum vom 18.-21.03.2015 von Island je nach Verfügbarkeit aktuell berichten. Alex Birkner, 13.03.2015
zur kernschatten.info- Startseite
|
---|