Echt Schaf - der Erlebnis-
und Stimmungsbericht meiner Mondfinsternis-Kurzreise in die Türkei!
Tour 101 Türkei
Die totale Mondfinsternis vom Mittwoch,
15.06.2011
TLE 1/2 2011 --- SAROS 130 (34/72)
*** Erfolgreiche Beobachtung der
kompletten Mondfinsternis bei Karaöz/Antalya / Türkei ***
Reisezeitraum vom 14.-17.06.2011
Flinke Fakten: Dauer von 17:24:33 - 23:00:44,
Größte Finsternis 20:12:37 UT, Finsternis- Magnitude
1,6998
Maximale Totalitätsdauer: 11m10s.
Es ist eine der längeren, totalen Mondfinsternisse des 21. Jahrhunderts
vollständig sichtbar in Ost- Zentral- und Südafrika, Indien, Türkei,
arabische Halbinsel, Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan
Zeitlicher Ablauf
der Finsternis mit Angaben für den Bobachtungsort N37°11'12.7''+
E30°47'48.3"
Ereignis |
UT |
Lokalzeit Türkei |
Alt |
Azimuth |
Mondaufgang |
17:08 |
20:08 |
0° |
120° |
Sonnenuntergang |
17:20 |
20:18 |
0° |
300° |
Halbschattenphase startet |
17:23 |
20:23 |
2° |
122° |
bürgerliche Dämmerung |
17:49 |
20:49 |
-- |
-- |
1. partielle Phase startet |
18:22:56 |
21:22:56 |
10° |
131° |
nautische Dämmerung |
18:28 |
--- |
-- |
-- |
astronomische Dämmerung |
19:11 |
--- |
-- |
-- |
Totalität beginnt |
19:22:30 |
22:22:30 |
18° |
142° |
Größte
Finsternis |
20:12:37 |
23:12:37 |
23° |
153° |
Totalität endet/ 2. part.
Phase startet |
21:02:42 |
00:02:57 |
26° |
165° |
2. partielle Phase endet |
22:02:15 |
01:02:15 |
28° |
180° |
Halbschattenphase endet |
23:00:45 |
02:02:08 |
26° |
195 |
|
Beobachtungsplatz der totalen Mondfinsternis in der Türkei
nahe Karaöz:
Latitude: 37°11'12.7''
Longitude: 30°47'48.3''
Altitude: 99
meters
Bildquelle:
Google Earth 2011
|
Kleine
Mondfinsternis-Galerie ...
...und hier eine Sequenz der Totalität
Hinweis: Zeitangaben für die Finsternis immer in UT angegeben, außer
anders vermerkt
Erster Teil: Der Erlebnis- und Stimmungsbericht
Dienstag, 14. Juni 2011
Klares blaues Wasser. Klarer
blauer Himmel. Ein paar kleinere Konvektionswölkchen hier und da.
Unter uns befindet sich das Schwarze Meer. Vor mir steht eine
kleine, heiße Aluminiumschale - gerade wird das Mittagessen auf
unserem Rückflug von Antalya nach Köln/Bonn serviert. Hinter uns
liegen nicht nur 3 kurze, erlebnisreiche Tage an der türkischen
Mittelmeerküste, sondern auch eine neue Beobachtungs- Erfahrung.
Reiseanlass für Manfred und mich war die totale Mondfinsternis vom
15. Juni 2011. Nicht irgendeine der doch immer wieder beobachtbaren
Mondfinsternisse, die sich in doch relativer Häufigkeit immer wieder
beobachten lassen.
Nein, dieses Mal war es anders.
Da beobachtet man wieder und wieder diese astronomischen Ereignisse
und erwartet, was man von früher kennt. Doch es kommt ganz anders.
Es heißt immer, die letzte war die beste - bloß: Diese
Mondfinsternis war eine perfekte, visuelle Superlative!
Kurz vor Beginn
des Sommers freue ich mich besonders auf die bevorstehende, totale
Mondfinsternis vom 15. Juni 2011. Sie bietet im Vergleich zu
zahlreichen Vorgängern der vergangenen Jahre einige Besonderheiten.
Gut 101 Minuten wandert der Erdmond durch den Kernschatten der Erde,
das ist nur 6 Minuten kürzer als die maximal erreichbare Dauer eines
solchen Ereignisses. Zudem handelt es sich um eine zentrale
Mondfinsternis, denn der Mond durchquert den Mittelpunkt des
Erdkernschattens fast mittig. Somit sind die grundsätzlichen
Gegebenheiten eine gute Basis. Aber: Für Deutschland ist die
Beobachtung durch den Zeitpunkt und die Jahreszeit erschwert und
eingeschränkt. Zum einen steht der Mond im Juni am tiefsten über dem
Horizont, und für nördlich gelegene Orte geht die Abenddämmerung
fast übergangslos in die Morgendämmerung über. Außerdem ist die
totale Phase der Finsternis bereits eingetreten, wenn der Mond am
Horizont aufsteigt.
Somit ist das
Ereignis in Deutschland von keinem Ort aus vollständig zu sehen.
Diese Gründe
veranlassen Manfred und mich, einen weiter östlich gelegenen
Standort aufzusuchen und ihn mit kleinstmöglichem Aufwand zu
erreichen. Wir kommen dem Mond sozusagen entgegen und entscheiden
uns, die Mofi nördlich von Antalya in den Ausläufergebieten des
Taurus-Gebirges zu beobachten. Damit kommen wir schon in die
Premium-Beobachtungszone, denn auf 37° nördlicher Breite bei Antalya
steigt der Mond einerseits höher über den Horizont als zuhause und
steht zu Beginn der ersten, partiellen Phase immerhin 10° über dem
Horizont. Nach 3° Horizonthöhe beginnt dort der Eintritt in den
Halbschatten der Erde - was allerdings nicht erkennbar ist. Alles in
allem sind die Grundbedingungen in der Türkei sehr gut.
Mein täglicher
Kontrollblick auf die Online-Wetterseiten bestätigt: An fast allen
Tagen im Juni meldet die Wettervorhersage für die Region Antalya
klaren Himmel. Der Wolken-Satelliten-Film auf www.sat24.com
bestätigt, dass sich im Laufe des Tages Kumuluswolken bilden, die
bis zum Abend meist ganz verschwinden. Ausgerechnet am Tag vor
unserer Abreise sieht es allmählich gar nicht mehr so toll aus mit
den Prognosen. Gewittertätigkeit über dem Taurus-Gebirge und
angrenzenden Regionen! Von Denizli im Westen über Isparta (ca. 115km
nördlich von Antalya) bis nach Konya weiter östlich ist mit
Gewitterstürmen zu rechnen.
Lediglich der
äußerste Süden an der Küste bei Antalya soll von Wolkenkapriolen
verschont bleiben. Doch das Ziel ist, einen möglichst dunklen Himmel
zur Totalitätsmitte vorzufinden um Sternfeldaufnahmen rund um den
völlig verfinsterten Mond und der Sommer-Milchstraße zu machen.
Deshalb kommt eine Beobachtung direkt im Stadtgebiet, bzw. an der
belebten Urlaubsküste von Antalya nur im äußersten Notfall infrage.
So planen wir ein Scouting der Region nördlich der Riesenmetropole.
Los geht es
dieses Mal vom Flughafen Köln-Bonn. Manfred kommt aus Saarbrücken zu
mir nach Eppelborn, und nach 2 Stunden ungestörter Anreise erreichen
wir den Airport in der Rheinmetropole. Manfred bleibt mit Gepäck am
Flughafen und ich steuere meinen zuvor erkundeten Parkplatz in einem
Wohngebiet an. Mit dem Bus bin ich nach 2 Minuten wieder zurück am
Flughafen. Der planmäßige Start mit Condor/SunExpress um 19:00 Uhr
verschiebt sich auf 21:50 Uhr - die Hauptsaison in Antalya macht
sich bemerkbar. Via Twitter starte ich meine kleine
Berichterstattung mit Bildern und kurzen Infos von unserer Reise.
Um 21:55 MESZ
hebt dann unsere Sun-Express 737 , Flug XQ 243 mit Ziel Antalya von Köln-Bonn ab in einen
Dämmerungshimmel, der der Nacht nur gemächlich weichen will.
Nach der
Ankunft um 02:05 Uhr türkischer Ortszeit in Antalya steht unser
Fahrer für die Fahrt in unsere Pension bereit. Wir erfahren, dass
wir von der ursprünglichen Unterkunft Özmenpension in den
benachbarten White Garden wechseln sollen wegen Feierlichkeiten. Die
Pension liegt mit vielen weiteren Billigunterkünften in einer der
zahllosen Gässchen in der Altstadt, nur 300 Meter vom Meer entfernt.
In der Pension
angekommen, begrüßt uns ein müder aber freundlicher Mitarbeiter und
bringt uns auf die Zimmer. Unter lautstarkem Gezeter von sich
zankenden Katzen in der Gasse schlafe ich irgendwann ein.
Mittwoch, 15. Juni 2011 e-day!
Der junge
Morgen begrüßt uns mit wolkenfreiem, stahlblauem Himmel und 24°C.
Beim Frühstück erkunden wir die recht idyllisch gestaltete Pension.
Es gibt 2 Höfe als Restaurantfläche und einen ganz kleinen
Swimming-Pool. Das Buffet ist ausreichend für einen Start in den
Tag. Das Personal kann man nur als äußerst freundlich und
hilfsbereit bezeichnen. Auf Sauberkeit wird penibel geachtet, die
Räumlichkeiten enthalten eine alte und einfache, jedoch gemütliche
Ausstattung und lassen als Pension keine Wünsche offen, auch wenn
die Bäder der Einzelzimmer quasi gar keinen Platz zum Duschen
vorsehen. Irgendwie geht's immer!
Gegen Mittag
bekommen wir unseren Mietwagen an die Pension gebracht, mit dem wir
die Gegend in Eigenregie nach einem geeigneten Beobachtungsplatz
erkunden wollen. Es ist ein weißer Hyunday Getz Diesel in sehr gutem
Zustand. Doch zunächst schlendern wir durch die Gassen der Umgebung
und sehen uns in den zahllosen, auf Tourismus ausgelegten Geschäften
um. Die Sonne brennt, jeder sucht den Schatten. Wir kommen ins
Gespräch mit einem Shop-Inhaber namens Alisado und erzählen ihm von
der bevorstehenden Mofi. Er ist etwas erstaunt über unseren kurzen
Aufenthalt, sagt uns aber, dass er sehr an der Mondfinsternis
interessiert ist und von seinem Laden aus beobachten will. Er zeigt
uns auf einer Karte interessante Fotostopps und sehenswerte Orte um
Antalya.
Schließlich
beladen wir den Hyunday Getz am frühen Nachmittag mit der
umfangreichen Beobachtungs-Ausrüstung für die Nacht. Dem Personal
müssen wir erklären, dass wir noch nicht abreisen wollen obwohl es
vielleicht so aussieht. Die Sonne brennt vom Himmel und lässt das
Quecksilber auf 30°C ansteigen; der Fußboden glüht regelrecht.
Nachdem wir den
richtigen Weg aus dem verzweigten Labyrinth der Altstadt entdeckt
haben, führt unser Weg bei mäßigem Verkehrsaufkommen entlang der
Küstenstraße in Richtung Manavgat/Serik. Es stimmt uns nachdenklich,
dass die dreispurige Schnellstraße hin und wieder von
Fußgänger-Zebrastreifen gekreuzt wird …
Nach gut 10
Kilometern wechseln wir die Fahrtrichtung und biegen vor Aksu auf
die D685 in Richtung Isparta. Ich checke nochmal die
Wetterprognosen, und die lassen ganz klar erkennen, dass wir nicht
weiter als etwa 50-60 km nach Norden fahren dürfen. Für die
Gebirgsregion sind Niederschläge und heftige Gewitter gemeldet, bis
Isparta dürfen wir auf gar keinen Fall. Klarer Himmel soll nur in
Küstennähe gegeben sein. In einer eMail empfiehlt mir Tunc Tezel,
dass wir uns vorrangig im Bereich der Küste aufhalten sollen,
wegen der angekündigten Niederschläge nördlich von Antalya.
Wir schauen uns
um. Das Gelände am Anfang der D685 ist hier noch recht flach und nur
stellenweise von Hügeln durchsetzt. Wir passieren kleinere Orte und
Gehöfte und kommen an den Orten Fettahli und Topalli vorbei. Die
Sonne brennt nach wie vor erbarmungslos und heizt die Straße auf.
Kleinere Shops mit Obst, hauptsächlich Melonen, wechseln mit
Tankstellen und Bauernhöfen. In der Ferne liegt der Taurus in tief
hängenden Wolken gehüllt.
Zeit für eine
Mittagspause. Wir gönnen uns eine traditionelle Mahlzeit in einem
der kleinen Lokale direkt an der Hauptstraße bei Kursunlu, die von
Familien betrieben werden. Es steht „Köfte“ auf dem Programm,
kleine, im Ofen gebackene Hackfleischstückchen mit viel Gemüse und
einer richtig, richtig boshaften Chilli, wie ich sie liebe! Den
Besitzer amüsiert das, wie Manfred mit der scharfen Kleinen (Chilli)
zu kämpfen hat, ich für meinen Teil bin begeistert. Wir beobachten
während unseres nachmittäglichen Essens die aufgelockerten
Kumuluswolken dahinziehen. Es ist mit sinkender Sonne eine Tendenz
zur Auflösung der Wolken beobachtbar.
|
|
Manfred
Haberstroh |
Alexander Birkner |
Nach dieser
Stärkung fahren wir weiter in nördliche Richtung und passieren
Yesilkaraman. Die Umgebung zeigt jetzt ein hügeligeres Aussehen und
die Hauptstraße steigt leicht an. Die Bergzinnen in der Ferne sind
komplett wolkenverhangen, und dieser Anblick mahnt uns, dort
wegzubleiben und nicht mehr zu viele Kilometer hinter uns zu
bringen. Ein Abzweig nach rechts sieht viel versprechend aus und
scheint auf ein Plateau zu führen. Wir folgen dem Weg, der auf eine
Anhöhe führt und gut befahrbar ist. Weiter oben stellt sich heraus,
dass uns eine Hochspannungsleitung und zu viel Buschwerk im Weg ist,
was die Beobachtung zu Beginn der Finsternis unmöglich macht. Die
Umgebung ist malerisch - wir fahren weiter nach Norden.
Eine
faszinierende Kulisse, doch hinter uns in Richtung Süden verdeckt
Gebüsch die Sicht zum Mond.
Obwohl die Ortshöhe immer weiter ansteigt ist uns klar, dass wir hier nichts
erreichen werden. Die Hauptstraße führt lediglich durch Schluchten,
umringt und eingerahmt von schroffen Bergzinnen. Es gibt keine
Abzweigung, weder nach links noch nach rechts. Schließlich erreichen
wir den von mir ursprünglich vorgesehenen See Kraraoglan 1 und
stellen fest, dass die Mondfinsternis hier nicht beobachtet werden
kann. Die Berge verdecken den Blick nach Süden zu sehr, und zudem
kommen wir schon nah an das bedrohlich wirkende Gewölk.
Ich wende und
fahre zurück, da ich mich an einen Abzweig erinnere unweit unseres
Stopps zum Mittagessen bei Karaöz. Dort checken wir 2 weitere
Abfahrten. Ein sehr viel versprechender Schotterweg führt zwar auf
einen kleinen Hügel, doch der ist wiederum mit Bäumen bewachsen.
Beim nächsten kleinen Abzweig an der D685 führt ein endloser Pfad
durch ein namenloses Dorf und schließlich auf einen höher gelegenen
Punkt, doch im Süden verdecken wieder Berge die Sicht!
Wird die
nächste Abzweigung die Wende bringen? Eine schon stark in
Mitleidenschaft genommene Piste aus einer Teer-Steinmixtur führt
steil einen Hügel hinauf. Oben angekommen sind wieder zu viele Bäume
im Sichtfeld des Südost-Horizontes. Die Zeit vergeht.
Inzwischen ist
es 19:30 Uhr Lokalzeit, doch die erste, partielle Phase startet erst
um 21:22. Etwas mutlos schaue ich mich um, will gerade umdrehen, da
fällt mein Blick auf ein dichtes Getreidefeld mit einem kaum
erkennbaren Feldweg. Der führt auf eine Lichtung. Vorsichtig folge
ich dem unwegsamen Pfad, und nach 100 Metern kommen wir an einen
Weidezaun. Neben einem Bretterverschlag steht ein altes Moped. Der
Weg endet auf einer plateauähnlichen Erhebung, und die erscheint mir
auf den ersten Blick als beobachtungstauglich für unser Vorhaben.
Zwar stören 2 Baumgruppen, doch nach einer Peilung mit einem von
Manfred konstruierten Holzkompass stellen wir fest, dass hier die
Konditionen passen. Von Südosten bis Westen ist, abgesehen von einem
einzelnen Baum, grundsätzlich freie Sicht. Lediglich die
Einschränkung der Sicht am Mondaufgangspunkt bei Azimuth 120° könnte
ein gewisses Risiko darstellen, was wir von diesem Ort hier nicht
feststellen. Hinter uns erstreckt sich der Taurus mit seinem
inzwischen expandierenden Wolkenteppich, und dieser Anblick bereitet
uns Sorgen.
Unser Beobachtungsplatz
|
|
Blickrichtung Nordwesten
|
|
Blickrichtung Nordosten
|
|
Blickrichtung Süd |
|
Teil-Panoramaanblick auf unserem Beobachtungs-Hügel. Süden ist genau
über dem PKW.
Ich sende ein
Bild vom Platz an Twitter und beginne dann, meine Instrumente
aufzubauen. Aus der Nähe ist das Blöken von Schafen zu hören, zu
sehen ist aber nichts. Unter meinem Stativ messe ich mit meinem
HTC-Handy folgende GPS-Koordinaten:
Latitude: 37°11'12.7''
Longitude: 30°47'48.3''
Altitude: 99
meters
|
Unser Beobachtungsplatz
liegt weit genug von der Hauptstrasse - kein Licht stört! Quelle:
Google Earth 2011 |
Noch während
ich mit dem Aufbauen meiner Ausrüstung beschäftigt bin kommt die
Schafherde durch einen kleinen Wald vom Nachbarhügel zu uns. Allen
voran begrüßt uns schwanzwedelnd ein junger Hund, der sich über den
sicher ungewohnten Besuch hier oben wundert. Dem folgt kurz darauf
der Schäfer und begrüßt uns herzlich mit Handschlag. Im Schlepptau
hat er ca. 40 Schafe, die er in den angrenzenden Stall führt. Der
Hund wacht über die Herde, der Schäfer zieht sich in seine kleine
Holzhütte zurück.
|
(c) Manfred
Haberstroh |
Von Norden her
hat sich jetzt ein großflächiger, dicker Wolkenteppich zu uns
aufgemacht und hüllt fast den gesamten Himmel ein. Es scheint Regen
an Bord dieser Wolken zu sein. Nur noch eine kleine Schneise klaren
Himmels zeigt sich im Süden, ziemlich genau in Richtung Antalya! Wir
sehen nun unsere Beobachtung der unmittelbar bevorstehenden
Mondfinsternis ernsthaft gefährdet. Haben wir uns nun doch zu weit
nach Norden gewagt?
Positiv ist
aber, dass der Mond jetzt um 17:27 UT am Horizont auftaucht! Er ist
vor 17 Minuten aufgegangen und steht jetzt 3° über dem
Südost-Horizont, über dem Glasdach eines Gewächshauses. Also gibt es
keine Einschränkungen der Sicht durch Obstruktion, wie zunächst
befürchtet. Der Eintritt des Mondes in den Halbschatten der Erde hat
zudem vor wenigen Minuten begonnen – doch es ist noch viel zu früh,
um das mit bloßem Auge zu erkennen.
Zu meiner
Beruhigung bemerken wir, dass sich der dicke Wolkenteppich aus
Norden allmählich wieder auflockert! Das geht jetzt sogar so
schnell, dass nach weiteren 10 Minuten nichts mehr davon übrig bleibt,
bis auf die Bewölkung über der Bergregion im Norden. Dort sind
Blitze zu sehen, wie sie über dem Gebirge tanzen. Zu uns ist der
klare Himmel gottseidank zurückgekehrt. Die Dämmerung macht langsam
einer klaren Vollmondnacht Platz. Im Südwesten erkenne ich Saturn
direkt neben Porrima, einem 3.48mag hellen Stern im Sternbild
Jungfrau. Gerade einmal 16 Bogenminuten Distanz trennen die beiden.
Das Erscheinen
des vollen Mondes am Himmel fällt gerade mit dem fertigen Aufbau
meiner beiden Kameras und der Montierung zusammen. Meine
Reiseausrüstung ist seit vielen Jahren bewährt und besteht auch
dieses Mal aus folgenden Komponenten:
Canon EOS 350d
+ Sigma APO Tele 70-300mm im Wechsel mit 18-55mm Kitobjektiv
Canon EOS 400d
+ MTO 500 /f5.6 Maksutov Spiegeltele
Beide Kameras
sind befestigt auf:
EQ2 mit
Steuermotor und steuerbarer Nachführung in RA, auf
Berlebach-Report-Holzstativ.
So gelingt um
17:29:00 mein erstes Mondfoto. Manfred benutzt eine analoge
Canon-Kamera zur Erstellung einer sog. Star-trail-Aufnahme (siehe am
Ende des Berichts),
die die komplette Finsternis zeigt, sowie separat ein Spiegeltele
von 2000 mm mit einer Canon EOS 450d ohne Nachführung. Kurz darauf
erklingt aus der Umgebung das Gebet des Muhezins, und genau das verleiht der
Himmelszenerie eine unverwechselbare, atmosphärische Stimmung.
Den Einfluss
des Mond-Halbschattens bemerken wir visuell um 17:55 UT, etwa 27
Minuten vor dem Beginn der ersten, partiellen Phase. Die
Südost-Kalotte des Mondes zeigt sich mit bloßem Auge gegenüber der
restlichen Mondoberfläche etwas blass, wenn man sehr genau
hinschaut. Mit fortschreitender Finsternis wird dieser
Trübungseffekt eindeutig und unzweifelhaft. Die erste partielle
Phase beginnt um 18:22 UT. Es sieht aus wie eine graue Flüssigkeit,
die sich ganz langsam aber gleichmäßig über den Mond ergießt. Jetzt
beginnt die eigentliche Mondfinsternis. Ich kann die Totalität gar
nicht mehr erwarten! Doch es gibt keinen Grund zur Unruhe, die alles
läuft bestens.
Geht
schon: 1. partielle Phase um 18:44:55, 1s, 400 ISO
Unser
Beobachtungsplatz kühlt ein klein wenig auf angenehme Temperaturen
um 21°C ab. Da denke ich an den Jahresanfang zurück, als wir
zusammen in Frankreich am 4. Januar 2011 in den Vogesen am
Großen Belchen (Grand Ballon - Col de la Schlucht) auf die Sonnenfinsternis warteten und die Außentemperatur
krasse -12°C betrug. Gemeinsam ist den beiden Orten, dass es damals
wie heute absolut windstill ist.
Unser Umfeld
ist in dem hellen Vollmondlicht bestens ausgeleuchtet – noch! Die
nautische Dämmerung verliert allmählich den Kampf gegen die
hereinbrechende Nacht. Die Schafe in ihrer Umzäunung sind deutlich
erkennbar, ebenso der Hund, der immer noch Wache schiebt und auf
alles aufpasst.
incoming
SMS...
Jörg
Schoppmeyer fragt per SMS aus Zypern, ob wir in der Türkei etwas
sehen. Wir beobachten etwa 310 km voneinander entfernt und haben
beide nun beste Bedingungen. Eine einsekündige Belichtung mit dem
500mm-Maksutov zeigt um 18:45 UT schon deutlich die rötliche Färbung
der südöstlichen Mondkalotte. Um 19:02 UT bleibt auch unseren Augen
die fortschreitende Rotfärbung des Mondes nicht länger verborgen.
Meinen Schatten, den ich die ganze Zeit auf unseren weißen Mietwagen
geworfen habe, schwindet mehr und mehr. Auch die Schafe scheinen
allmählich aus der Landschaft zu verschwinden. Kein Wunder, es sind
nur noch 20 Minuten bis zum Beginn der Totalität dieser
ungewöhnlichen Mondfinsternis.
Geht
schon: Erste partielle Phase um 18:44:55, 1s, 400 ISO
Die Temperatur
bleibt bei milden 20°C. Kurios ist es hinter uns, im Norden:
Gelegentlich erhellen Blitze aus der nördlichen Richtung des
Taurusgebirges den immer dunkler werdenden Himmel. Direkt über den
Bergen erkenne ich in ca. 30° Höhe den Sternenhimmel, nur
darunter wabert dunkles Gewölk über dem Taurus. Die von Antalya
startenden Verkehrsmaschinen durchziehen immer wieder den Bereich
der Milchstraße und des fast verfinsterten Mondes. Zu einem
Mondüberflug kommt es leider nie.
Während die
Umgebung in fast völliger Dunkelheit verschwindet und der
Sternenhimmel immer dominanter wird, schaue ich auf die Uhr: Nur
noch 5 Minuten zur Totalität. Anmutig und ehrfurchtsverbreitend
klingt das erneute Gebet des Muhezins kurz vor der Totalität und
beschert uns Beobachtern eine unvergleichliche Stimmung, einen
perfekten, gar einmaligen Genuss zum roten Mond für alle Sinne.
Ganz, ganz großes Kino und unvergessliche Momente, wieder einmal
mitten im Nichts abseits ausgetretener Pfade.
Nachdem jetzt
auch die letzte, helle Kappe des Mondes dahin geschmolzen ist und
die Totalität um 19:22 UT begonnen hat, ist unsere kleine
Schafsweide in tiefer Dunkelheit verschwunden. Einhunderteins
Minuten Totalität haben begonnen, das Ziel der Reise ist erreicht.
Die Südostkalotte des Mondes mit ihren Maria ist bereits jetzt fast
gar nicht mehr erkennbar, und es ist absehbar, dass es eine richtig
dunkle Finsternis werden wird. Ich schaue nun gezielt, ob ich wieder
den blauen Schimmer erkennen kann, den ich schon öfter bei
Mondfinsternissen zuvor entdeckt hatte. Am ehesten fand sich dieser
Blausaum mit bloßem Auge im Bereich des Randes der Mondkalotte, die
dem Rand des Kernschattens am nächsten kam. Heute ist nichts blaues
festzustellen, außer ein fast zur Hälfte verschwundener Mond, der in
einen kräftigen, rotbraunen Rand übergeht. Das wird spannend.
Während Manfred
und ich mit Aufnahmeserien beschäftigt sind, kommt der Schafshirte
zu uns und hat jedem einen heißen Chai (schwarzer Tee) mitgebracht!
Hier zeigt sich einmal mehr die ehrliche und unglaubliche
Gastfreundschaft, der man auf dem türkischen Lande noch begegnen
kann.
Da ist er
wieder einmal, der weltweit verlässliche Finsternis-Service, wie ich
ihn nenne und der bisher immer und überall auf der Welt während
astronomischer Ereignisse perfekt funktionierte. Ich habe stets zu
den großen Momenten etwas zu essen oder zu trinken, oder beides an
den Beobachtungsplatz gebracht bekommen. Kleine Rückblende, so war
es zu diesen Ereignissen: TSE 2001 Sambia, TSE 2002 Krüger
Nationalpark, ASE 2003 Dettifoss auf Island, TOV2004 Montecatini
Alto-Italien, TSE 2006 Türkei, TLE 1/2 2007 Chipiona-Spanien, TSE
2008 Region Gansu-China.
Um 19:33 UT ist
der Mond bei mir zuhause in Eppelborn nun verfinstert über dem
Horizont aufgegangen und ich frage mich, wer dort in der Lage ist,
etwas zu erkennen. Wie sieht es auf der Wasserkuppe in der
hessischen Rhön aus, wo ich ursprünglich meine Beobachtung plante?
Inzwischen ist
das gesamte Sternbild Skorpion über dem Horizont erkennbar und macht
einen prächtigen Eindruck. Es steht westlich des verfinsterten
Mondes. Der untere Teil des Stachels bleibt uns zuhause stets
verborgen – nicht so hier. Weiter im Osten erstreckt sich das immer
besser erkennbare Band der Sommer-Milchstraße. Adler und Schwan
weiter östlich stechen regelrecht hervor, auch etliche
Deep-Sky-Objekte. Es ist an der Zeit, die Canon EOS 350d mit dem
Weitwinkel-Objektiv auszustatten und Sternfeld-Aufnahmen mit dem
roten Mond darin zu machen. Durch den noch relativ niedrigen
Mondstand über dem Horizont lässt sich die Baumreihe an unserem
Platz noch als Foto-Vordergrund einbeziehen.
|
Mondfinsternis-Komposit aus 5 Aufnahmen 15-20s Belichtung |
Meine
EQ2-Nachführung arbeitet zwar nicht hochpräzise, aber für bis zu 20
Sekunden lange Belichtungen reicht es heute Nacht. Genug, um mehrere
Aufnahmen für eine Bildbearbeitung zu gewinnen. Der Anblick
des Himmels ist atemberaubend, quasi bis zum Horizont zieht sich das
gestirnte Firmament. Wir haben einen hervorragenden Platz
ausgesucht. Zudem sind keine künstlichen Lichtquellen zu sehen, nur
die Großstadt Antalya macht sich mit einer minimalen
Horizontaufhellung in S-SW bemerkbar. Ansonsten ist es hier dunkel,
dunkel, dunkel! Die Schafe blöken hin und wieder in die sternenklare
Nacht, zu erkennen ist von ihnen gar nichts mehr.
Was für
ein Anblick - das drehende "C"
Diese
Mondfinsternis sieht anders aus als alle, die ich bisher gesehen
habe. Um 19:55 Uhr strebt der Mond allmählich dem
Kernschatten-Zentrum entgegen. Unglaublich und bizarr, aber die
Mond-Meere sind mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr zu erkennen –
sie sind tatsächlich schwarz. An der Nordwest-Kalotte des Mondes
formt sich ein schmaler, dem Buchstaben "C" ähnlichen Bogen entlang des Mondrandes.
Dies sind die letzten Aufhellungen vom Kernschatten-Rand. Dieser
Bogen sieht „dunkelweiß“ aus, doch bei intensivem Studieren dieser
Szene stelle ich fest, dass es ein helleres Rotbraun ist, dass einen
Kontrast zu dem nicht mehr erkennbaren Zentrum des Mondes darstellt.
Im Laufe der folgenden Minuten erweitert sich dieses „C“ und
erschließt sich mit Herannahen der Totalitätsmitte mehr und mehr den
gesamten Mondrand. Das C formt sich zunehmend zu einem dünnen Ring
um den Mond. Als der Ring fast geschlossen ist, zeigt die Uhr 20:12
Uhr UT – jetzt ist die Finsternis in ihrem Maximum! Entfernt
erinnert der Mond jetzt dem ähnlichen Anblick bei einer ringförmigen
Sonnenfinsternis, wie man sie durch extreme Wolkenschleier hindurch
beobachten würde. Der Ring hat ein paar kleinere, diffuse
Unterbrechungen. Zu hauchdünn, um sie als echte Unterbrechung zu
bezeichnen. Die Färbung vom Ring nach innen fällt sehr rot aus, mehr
rot als braun, doch eines ist ganz eindeutig: Die Mondmaria und der
Mittelpunkt sind nicht mehr zu sehen! Das entspricht höchstens einem
Danjon-Wert von 1.
>>>
Hier klicken zur
HD-real-view-Totalitäts-Galerie... <<<
Ich kann mir
das durch die Erdatmosphäre gebrochene Licht der unendlichen
Sonnenauf- und Untergänge gut vorstellen, wie es jetzt kegelförmig
auf die Mondoberfläche umgelenkt wird und diesen schwach
leuchtenden Kontrastring um den Mondrand erzeugt. Bei vielen
nicht-zentralen Mondfinsternissen scheint es immer, als sei der Mond
von innen orangefarben beleuchtet. Dieser Effekt fehlt hier und
heute während der Totalitätsmitte völlig. So lasse ich diesen
Anblick minutenlang auf mich einwirken und stelle fest: Dies ist ein
unerwartetes Erlebnis, und meine neue Leidenschaft wird heißen:
Zentrale Mondfinsternisse! Vor Begeisterung wende ich meinen Blick
nicht mehr weg.
Fast
Totalitätsmitte: 20:11:28 UT, 1.3s ISO1600. Ein strukturloser
Blutmond.
Nicht minder
spannend ist der Himmel ringsum, der sich ungestört studieren lässt.
Manfred fotografiert ohne Nachführung und kann auch bei 1600 ASA und
den maximal möglichen 1,5 Sekunden Belichtungszeit kaum noch
erkennbare Aufnahmen fertigen. Ich stelle fest, es gibt jetzt mit
langer Belichtung von über 5 s keine „ehrlichen“ Fotos, die dem
wirklichen Eindruck dieser Finsternis gerecht würden. Bei 1600 ASA
versuche ich nun, eine möglichst dem visuellen Eindruck nahe kommende
Belichtungszeit zu finden. Dies gelingt mir am ehesten bei einer
Zeit von 1,3s.
Mittlerweile
ist völlige Ruhe am Platz eingekehrt, was ich sehr genieße. Von den
Schafen ist kein Ton mehr zu hören, auch der Schäfer hat sich
zurückgezogen. Weil auch die Schafsglöckchen verstummt sind, gehe
ich davon aus, dass die Tiere eingeschlafen sind.
Fasziniert
starren wir in den Sternenhimmel. Kein Lüftchen weht, bei ca. 18°C
herrscht nur geringe Luftfeuchte. Manchmal erhellt ein Gewitterblitz
aus dem Gebirge die Nacht. Vor dem Ende der Totalität beobachte ich,
wie sich der bereits beschriebene Lichtbogen am Mond zum Ostrand
gedreht hat. Außerdem sind jetzt die ersten Meere auf dem Mond
allmählich wieder erkennbar, doch der Westteil steht noch in nahezu
völliger Dunkelheit. In 26° Höhe über dem Horizont bei Azimuth 165°
befindet sich der Mond zum Ende der Totalität um 21:02 UT. Das erste
Sonnenlicht erreicht die Mondoberfläche, die dezente Orangefärbung
ist sehr gut zu sehen und trotz genauer Prüfung bemerke ich keinen
blauen Schimmer in dem bereits etwas unverfinsterten Bereich des
östlichen Mondrandes. Der Boden wird langsam wieder erkennbar,
ebenso erscheint unser Wagen aus dem Dunkel der Finsternisnacht und
auch die Schafe lassen wieder ihre Umrisse erkennen.
Jörg
Schoppmeyer hat mir gemeldet, schon lange keine derart dunkle Mofi
beobachtet zu haben. Ich bin ganz fasziniert über meine neuen
Eindrücke eines Himmelsereignisses, von dem ich keine allzu großen
Überraschungen mehr erwartet hätte.
Manfred und ich
setzen unsere Aufnahmeserie im 5-Minuten-Rhythmus fort, während die
zweite, partielle Phase voranschreitet und der Mond mehr und mehr
Sonnenlicht zurück bekommt. Um 21:33 UT, eine halbe Stunde vor dem
Austritt des Mondes aus dem Kernschatten der Erde hat die
Sommermilchstraße nichts mehr von ihrem Glanz zu bieten im hellen
Licht. Natürlich können sich die hellsten Sterne durchsetzen. Auf
einer 0,4s langen Belichtung ist auf den Fotos noch immer ein
restlicher Rotschimmer am westlichen Mondrand erkennbar; das bloße
Auge erkennt dies freilich nicht mehr. Stört das helle Mondlicht
etwa den Schlaf der Schafe? Jetzt fangen sie wieder an, munter zu
blöken, während sie in der kompletten Totalität und kurz darüber
hinaus stumm blieben. Oder sollte das nur ein Zufall sein?
Die
Luftfeuchtigkeit ist jetzt erhöht und Objektive ohne
Gegenlichtblende bzw. Taukappen beginnen zu beschlagen. Es wird
allmählich etwas kühl, Zeit für einen Griff zur Weste. Eine
spektakuläre Mondfinsternis neigt sich in ihrem wesentlichen Teil
dem Ende entgegen. Um 22:03 UT steht unser kosmischer Nachbar noch
vollständig im Halbschatten der Erde und hat den Kernschatten
vollständig durchlaufen. Dies ist auch gleichzeitig der Moment der
höchsten Elevation von 28° über dem Horizont. Erstaunlich, dass der
Flugbetrieb vom Airport Antalya zu keinem Zeitpunkt nachlässt. Nach
wie vor starten die Jets ihren Weg und ziehen ihre Bahn
erstaunlicher Weise nicht ein einziges Mal über Luna – immer nur
deutlich darüber oder darunter.
Das Ende naht
Meine letzte
Aufnahme mache ich um 22:27 UT, das ist 01:27 Uhr lokale Ortszeit.
Jetzt ist auch der Halbschatten-Einfluss auf den Fotos quasi nicht
mehr nachweisbar. Zufrieden beginne ich mit dem Abbau der Geräte,
und das nimmt bei mir immer eine gute halbe Stunde in Anspruch. Die
Montierung ist schließlich verstaut und die Kameras nebst Optiken
liegen wieder in ihrem Fach im Fotorucksack. Nicht ein einziger
Akkuwechsel war nötig, und das nach fast 6 Stunden Dauereinsatz.
Gegen 02:15 Ortszeit verlassen wir unseren schönen Beobachtungsplatz
und senden dem schlafenden Schäfer ein gedankliches Dankeschön für
seine Gastfreundschaft.
Viel besser
konnte es nicht sein heute Abend – da sind Manfred und ich uns
einig. Das war eine exzellente Himmels-Show unter hervorragenden
Bedingungen, obwohl wir uns mit dem Auffinden eines geeigneten
Spechtelplatzes etwas schwer taten. Es war schwieriger als erwartet,
in der hügeligen Landschaft den für uns geeigneten Platz zu finden.
Möglicherweise gibt es auf der parallel und weiter westlich
gelegenen D650 nach Isparta viel bessere Beobachtungsorte. Egal - es
hat ja alles gepasst.
Kaum ein
Fahrzeug kreuzt unseren Weg auf der Rückfahrt nach Antalya. Nach 50
km sind wir wieder im Bereich der Altstadt angekommen, doch es
gelingt mir einfach nicht, die beschrankte Zufahrt zu den kleinen
Gässchen unserer Pension zu finden. Ein Taxifahrer hilft uns, dieses
Ortfindungsproblem schnell zu lösen. Der junge
Mitarbeiter in der Pension schaut uns erneut übermüdet an, als wir
klingeln und denkt sich sicher „DIE schon wieder“, weil wir erst in
der Nacht zuvor so früh eingecheckt hatten. That’s life…
Dank des
hoteleigenen, kostenlosen WLAN-Zugangs kann ich sofort ein paar
Bilder der vergangenen Stunden via Twitter veröffentlichen. Es sind
schon einige Fotos zu finden, auch auf spaceweather.com. Ersten
Berichten zufolge aus Bonn von Stefan Krause und auch von der
hessischen Wasserkuppe, von der Stephan Heinsius beobachtete, waren
die Wetterkonditionen zuhause nicht besonders einfach.
Auch in meiner
saarländischen Heimat gab es nur wenig zu sehen, mit Ausnahme auf
dem Peterberg bei Braunshausen und Ludweiler/Völklingen. Dennoch
lese ich zumindest von teilweisen Beobachtungserfolgen.
Jetzt ist es
aber wirklich Zeit für die Nachtruhe. Als ich den Vorhang meines
Fensters zuziehen will, steht der volle Mond genau über der
gegenüber liegenden Pension. Wir wünschen uns sozusagen beide eine
Gute Nacht!
Donnerstag, 16. Juni 2011
Heute Morgen
treten wir den Weg zum Frühstücksbuffet etwas später als sonst an.
Die Hauptaufgabe der Reise ist erfüllt, wir können den heutigen Tag
in Ruhe und entspannt angehen. Das Hotelpersonal hat die Finsternis
ebenfalls beobachtet, ist aber über unsere Fotos sehr angetan.
Später schauen wir uns nochmal in den Touristen-Gäschen von Antalya
um für Souvenirs, Souvenirs… Wir treffen wieder auf Alisado vor
seinem Schmuck- und Taschengeschäft und zeigen ihm Fotos der
Mondfinsternis auf meinem Smartphone. Er erzählt uns, er konnte die
Finsternis an seinem Shop ebenfalls sehr gut beobachten und hatte
als Vordergrund das Minarett einer Moschee, was sicher nicht minder
reizvoll gewesen sein muss. Außerdem berichtet er von zahlreichen
Beobachtern und Touristen in den Gassen, die sich intensiv mit der
Beobachtung der Mofi befassten. Trotz der vielen
Sichteinschränkungen durch Gebäude muss das Ereignis also schon die
Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.
Umso mehr
erstaunt sind wir über die quasi nicht vorhandene Resonanz in den
türkischen Tageszeitungen. In der „Sabah“ findet sich ein nur wenige
Zeilen kleiner Bericht, den wir fast übersehen. Fotos gibt es keine.
Ganz ähnlich mager ist die Berichterstattung in der
auflagenstärkeren „Hurriyet“. Da findet sich in der hintersten Ecke
ein kleiner Bericht mit einem scheinbar alten Schwarzweis-Foto. Das
ist erstaunlich, doch wir vermuten, dass der Redaktionsschluss der
Zeitungen vielleicht schon vor dem Eintreten der Mondfinsternis
abgeschlossen war.
Nach der
Abholung des Mietwagens gönnen Manfred und ich uns ein Hamami, ein
türkisches Bad mit Peeling, Seifenmassage und anschließender
Ölmassage. Dieser Wellness-Aufenthalt ist in der Türkei für
vergleichsweise kleines Geld zu haben und dauert gut 2 Stunden. Was
für eine Wohltat! Abends bieten uns die Pensionsmitarbeiter
landestypisches Abendessen an. Das veranlasst uns zu einer
Planänderung, den Besuch eines anderen Restaurants zu verwerfen. Ich
bestelle mir ein echtes, türkisches Kebap, dass direkt vor meinen
Augen im Steinofen zubereitet wird. Etwas Bulgur dazu, außerdem ein
türkisches Efes-Bier, und der Abend ist gerettet.
Zum Ausklang des
Tages nehme ich meine Fotoausrüstung und wir gehen zur
Strandpromenade an den Hidirlik-Turm. Dieser zweistöckige Turm aus
der Römerzeit wurde wahrscheinlich als Leuchtturm verwendet. Direkt
daneben gibt es auf der Promenade mehrere recht belebte
Panorama-Buchten mit Blick auf die Küste bei Lara und Kundu mit
ihren unzähligen All-inclusive-Hotels. Auch das Titanic-Ressort
finde ich wieder, in dem ich mit Heike 2003 einen Urlaub verbracht
habe. Hätte die Mondfinsternis heute stattgefunden, wäre die
Beobachtung schon problematischer geworden. Der Sonnenuntergang
findet hinter Wolken statt, aber die Skyline ist interessant und auf
jeden Fall ein paar Fotos wert.
So geht dieser Tag gemütlich zu Ende
mit einem Absacker im White Garden, unserem Pensions-Restaurant im
Freien.
Freitag, 17. Juni 2011
Nachdem wir
unser Frühstück beendet haben, kommt unser Fahrer für den Transfer
zum Airport Antalya ziemlich pünktlich um 8:00 Uhr zu uns in die
Pension. Wir verabschieden uns vom Personal und machen uns auf den
Weg. Es herrscht dichter, morgendlicher Berufsverkehr. Ständig kommt
der Autokorso zum Erliegen und hangelt sich von Ampel zu Ampel.
Baustellen führen die nicht immer eindeutigen Fahrspuren zu engen
Passagen zusammen, wieder ist Geduld und sportliche Fahrweise
angesagt.
Nach 45 Minuten
haben wir das Terminal 2 des Airport Antalya erreicht und verladen
unser Gepäck auf einen Wagen. Nach der Verspätung beim Hinflug sind
wir froh, dass der Condor-Flug ggf. sogar 15 Minuten vor dem Plan um
10:15 Uhr Lokalzeit nach Köln-Bonn starten könnte. Volles Programm
an allen Check-in-Schaltern, es herrscht wie immer hier Hochbetrieb.
Es bleibt dann aber bei einem pünktlichen Start wie ursprünglich
vorgesehen um 10:30 Uhr.
Mein
Fensterplatz im hinteren Teil der Maschine ist für Fotos der Welt
von oben gut geeignet. Im Gegenzug zum Hinflug ist diese Maschine
nicht ausgebucht. Es dauert sehr lange bis zur typischen
Reiseflughöhe, und das beschert mir zahlreiche Fotos der
Taurus-Region sowie der Schwarzmeer-Küste.
Ein Stausee nahe dem
Taurusgebirge
Über der
Schwarzmeer-Küste, und Anflug auf Köln-Bonn Airport
Klares blaues
Wasser. Klarer blauer Himmel. Ein paar kleinere Konvektionswölkchen
hier und da. Unter uns befindet sich das Schwarze Meer. So startete
dieser Bericht, und so endet er auch. Denn als das Mittagessen in
einer kleinen Aluminiumschale serviert wird, habe ich bereits
begonnen, meine Erlebnisse in mein Laptop niedergeschrieben.
Wenn am 10.
Dezember 2011 die Mondfinsternis in Deutschland zu sehen sein
sollte, bekommen wir gerade noch das Ende der 2. partiellen Phase zu
sehen. Diese Finsternis gehört den Asiaten und dem Pazifikraum, für
eine fast komplette Beobachtung muss man sich beispielsweise
mindestens bis nach Georgien begeben - oder am besten noch weiter
östlich. Mit diesen Gedanken beende ich mein Rückblick auf ein
Highlight, das die Reise definitiv wert war...
Update 13. November 2011:
Anbei ein analog erstelltes Foto (Diafilm) in der sog. "moontrail-Technik"
von Manfred. Ich nenne es gerne Wattestäbchen-Mond. Dabei wird die
fest stehende Kamera auf einem Stativ auf den vom Mond zu
durchwandernden Himmelsbereich eingestellt. Dabei wird stundenlang
für die Gesamtdauer der Finsternis belichtet. Es muss im Laufe der
Belichtung eine Anpassung der Kamerablende an den Verfinsterungsgrad
des Mondes korrigiert werden, und zwar im richtigen Zeitfenster,
Auffällig sind neben der Mondfarbe die zahlreichen Starts der
Ferienflieger, die von Antalya aus in den Himmel aufgestiegen sind.
Trotz der zahlreichen Starts hatten wir keinen einzigen
"Mondkreuzer", der über die Mondscheibe flog. Die einzige
Flugzeugspur, die hier den Moontrail tatsächlich kreuzt, entstand
lange bevor der Mond diese Position erreichte.
Dieses Foto ist ein Beleg, dass Analogtechnik in bestimmten
Einzelbereichen durchaus sinnvoll genutzt werden kann. Das Stacken
zahlreicher digitaler Einzelfotos kann ein solches Ergebnis nicht
reproduzieren - dies würde anders aussehen!
Alexander Birkner, Eppelborn 27. Juni 2011
Release Nr. 4 2011-11-13
Bildergalerie von Kris Delcourte/Namibia
* * *
Ergänzungen:
Es ist noch
zu erwähnen, dass bereits westlich von Erfurt der Sinkflug auf den
Airport Köln-Bonn begann. Nach der Landung fuhren Manfred und ich
mit dem Bus der KVB zu meinem Parkplatz in Köln-Grangel, unweit des
Flughafengeländes. Dies ersparte uns vollständig die Parkgebühren,
für nur unwesentlich mehr Anreiseaufwand.
Im Gepäck waren
ca. 7 GB Fotodaten. Dieser Bericht zeigt das Beste aus 3 Tagen einer
erfolgreichen, astronomischen Kurzreise in die Türkei zur totalen
Mondfinsternis. Und der nächste Kurztrip? Das kann doch nur der
Venustransit am 6. Juni 2012 sein, vielleicht auf Island?
Unsere
Unterkunft war die Pension White Garden, Kaleici Kilicaslan
MahHesapci Gedici No 9, Antalya
Der
Mietwagen-Unternehmen war SAY-Turizm
www.say-rent-a-car.de
* * *
Zweiter Teil: Der Vorbericht und
Topseiten-Feeder
Vorab-Info zur "Tour 101": Die totale Mondfinsternis
am 15. Juni 2011 / Saros 130 (34/72)
Finsternisfotos vom 3./4. März 2007
Kurz vor
Beginn des Sommers lädt die Natur wieder zu einem sehenswerten Ereignis am
Abendhimmel ein. Die kommende, totale Mondfinsternis am Mittwoch, dem 15.06.
bietet mit einer gesamten Totalitätsdauer von 101 Minuten die längste ihrer
Art seit Juli 2000. Dabei wandert der Mond fast genau durch das Zentrum des
Erd-Kernschattens. Und entsprechend spannend wird der Anblick zur tiefsten
Finsternis sein, wenn sich zeigt, wie dunkel die Mondscheibe tatsächlich
wird.
In meinem
Heimatort Eppelborn, also ziemlich im Südwesten Deutschlands, geht der Mond
jedoch erst um 21:32:31 Uhr MESZ über dem Horizont auf, wenn die totale Phase
der Finsternis bereits seit 10 Minuten
im Gange ist. Dies fällt mit der bürgerlichen Dämmerung zusammen und
bedeutet, dass der Himmel noch zu aufgehellt ist, um den roten Mond gut
erkennen zu können.
Erst im weiteren
Verlauf der Finsternis und fortschreitender Dunkelheit bessert sich nach
einer weiteren Stunde allmählich die Erkennbarkeit. Etwas erschwerend ist
der für diese Jahreszeit sehr niedrige Stand des Mondes über dem Horizont.
Dies erfordert eine störungsfreie Sicht gen Südosten bei möglichst erhöhtem
Standort. Für andere Ort in Deutschland sieht es nicht viel besser aus, der
Beginn der Finsternis entgeht uns.
Um sie
vollständig zu beobachten, muss man sich weiter östlich befinden an Orten,
wo der Mond bereits über den Horizont aufgegangen ist. Das ist
beispielsweise in Teilen Polens, der Slowakei und der italienischen Adria
möglich. Oder besser - noch weiter östlich und am besten auch noch weiter
südlich!
Weil ich mir
diese zentrale Mondfinsternis mit ihrer seltenen Länge gerne vollständig
ansehen möchte, werde ich gemeinsam mit Manfred Haberstroh eine
Kurzreise in die Türkei antreten - eben die
Tour 101 zur Beobachtung von 101 Minuten total verfinstertem Mond!
Für neueste Tour-Bilder und Kommentare ab dem 14. Juni hier klicken.
Im Bereich
des Taurus nördlich von Antalya werden wir einen passenden Platz zur
Beobachtung aufsuchen. Dieser liegt südlich von Isparta, etwa im Bereich des
Nordlimits der damaligen, totalen Sonnenfinsternis, die am 29.03.2006 über
die Türkei verlief. Dort steht der Mond zum Start der partiellen Phase
bereits 10° über dem Horizont. Auch die zuvor eintretende Halbschattenphase
kann dann ggf. schon erkannt werden.
Die bisher
aufwendig gestalteten Vorberichts-Seiten mit Grafiken und Verlauf wird es
dieses Mal nicht geben, allerdings werde ich erstmals über meinen
Twitter-Kanal live von den Eindrücken vor Ort berichten. Diese Feeds können
hier links neben dem Text in der Twitter-Box mitverfolgt werden. Außerdem
poste ich über meine
Twitter Bildergalerie aktuelle Fotos.
EssentiaLLinks - Live Webcast -
Hintergrund - Blog
Stefan Krause:
Wie immer die Infoquelle Nr. 1 in Deutschland
http://www.mondfinsternis.net/mofi2011t1/index.htm
Stephan Heinsius:
Live von der Wasserkuppe/Hochrhön - dieser Ort war mein ursprüngliches Ziel.
http://www.astronation.net/webcam/10022/342/mondfinsternis-juni-2011.html
Astroinfo:
Hintergrund und Info für Deutschland
http://news.astronomie.info/sky201106/thema.html
Fred Espenak:
Essentielle Grundlagen
http://eclipse.gsfc.nasa.gov/OH/OH2011.html#LE2011Jun15T
Wetter online: Wo
sind die Chancen am besten?
http://www.wetteronline.de/
zur kernschatten.info- Startseite
|