Geduld ist eine Tugend - Wolken haben viel Zeit!

 

Das war die totale Mondfinsternis

vom 4. Mai 2004

Mein Erlebnis- und Stimmungsbericht

 

Alle Zeitangaben in MESZ Ortszeit und gültig für Braunshausen/Nordsaarland)

Die Bilder der Digitalkamera und die Dias sind unterhalb des Berichts


* Beobachtungsanlass: Totale Mondfinsternis Saros 133 (die 33. von 72 insgesamt)

* Beobachtungszeit: 20.45 Uhr - 23.50 Uhr

* Beobachtungsort: Braunshausen im Nordsaarland

* Beobachtungs- und Fotoinstrumente: (außer 10x50-Fernglas)

1. Meade Refraktor auf Gemini-10-Montierung mit Stahlsäulenstativ, Canon EOS 50 zur Aufnahme in Fokaltechnik (1000mm des Refraktors) mit Nachführung, Filmmaterial: Fuji ProVia F100, einer der besten Diafilme der Welt!

2. Russentonne 1000mm auf EQ2 (modifiziert) mit elektrischer Nachführung und Berlebach Holzstativ, Olympus Camedia C3020 Digitalkamera mit Okularadapter und 25mm Okular) bei einer Auflösung von 3 Mio. Pixel (jpg)


*** Und das ist die Geschichte meiner 5. Mondfinsternis...

Schon tagsüber fällt mir durch das gigantische Glasdach der anhaltende Sonnenschein auf, der das Einkaufscenter an meinem Arbeitsplatz in ein grelles Licht taucht. Das beruhigt mich in Hinblick darauf, dass für den heutigen Abend nicht gerade die besten Voraussetzungen zur Beobachtung der Mondfinsternis gemeldet sind.

16.30 Uhr

Mir gelingt ein gewaltsames Verlassen meines Arbeitsplatzes. Auf der Heimfahrt will ich wissen, was unser Lokalsender zur Wetterlage meldet. Der Saarländische Rundfunk hat keine wirkliche Idee, wie das Wetter zu deuten ist, aber im Internet ist es genauer zu erkennen: Während von Südost ein fettes Wolkenband über ganz Deutschland zieht, rollt aus Nordwest ein neues Tief vom Atlantik herein. Zwischen beiden Tiefs bleibt ein Streifen einer recht neutralen Zone, die sich vom Saarland bis etwa nach Rügen erstreckt. In diesem Streifen bestünden die besten Chancen für eine erfolgreiche Mofi-Sichtung. Was auch immer das heißen mag...

18.00 Uhr

Jedenfalls zeigen sich aktuell einige Quellwolken in allen Richtungen, aber auffallend wenige davon im Osten. Während ich meinen Wagen mit der Ausrüstung für die kommenden Stunden belade, bläst mir der kräftige Wind kalt um die Nase. Hmmm, da nehme ich wohl doch noch die 2 Windschutz-Zelte mit.

18.30 Uhr

In Braunshausen angekommen stellt sich heraus, dass der vorgesehene Spechtelplatz zu wenig windgeschützt ist. Hier oben, in über 500 Meter Höhe, zeigt das Thermometer nur noch 16°C bei auflebendem, teils kräftigem Wind aus westlicher Richtung. Also muss ich umdisponieren und finde einen geeigneten Windschutz an unweit anderer Stelle vor einer dichten Hecke. Zusammen mit den beiden Windschutz-Zelten ist genügend Erschütterungs-Schutz für beide Teleskope gegeben. Zu meiner Überraschung ist der Himmel rundum fast perfekt klar geworden. Für meine Begriffe sehr verdächtig. Nur winzige Schleier-Reste im Zenit, ansonsten sogar in der wichtigen Südost-Richtung klarer Himmel. Unglaublich!

19.00 Uhr

Als nächstes wäre es interessant, wie es denn im Osten der Republik so ausschaut, und rufe Marc Weihrauch in Halle/Saale an. Dort sieht die Welt ganz anders aus. "Absolut dicht" ist seine Aussage, doch dass so etwas Stunden vor einer Finsternis nichts bedeuten muss, haben wir schon öfter erlebt. Während ich also meine Ausrüstung aufstelle, bemerke ich ein allmähliches Nachlassen des Windes. Doch gleichermaßen - ach du Schreck - rollen von Westen Regenwolken heran. Die Sonne ist verschwunden.

Manfred Haberstroh kommt an und gesellt sich zu mir. Seine Ausrüstung besteht aus einem 400mm-Objektiv, getragen auf einem Berlebach-Holzstativ.

20.00 Uhr

Während wir technisch bereit sind für die Finsternis, braut sich über uns etwas zusammen. Und das sieht nicht gut aus. Quellwolken, gefolgt von einer dichten Wolkenbank, ziehen sich von West bis Ost über den Himmel. Fast ist es komplett bedeckt und die Temperatur auf 11°C gefallen. Lediglich der Wind hat nachgelassen. Die Sonne ist nur noch zu erahnen. Ein schwacher Trost. Wenn es so bleibt, sehen wir nichts. Das ist der Nachteil einer "Horizont-Finsternis"; sie ist ein eher leichtes Wolkenopfer. Aber umso reizvoller, wenn es denn klappt.

20.48 Uhr

Regen liegt in der Luft, oder zumindest, kurz davor. Während der Mond nun aus dem Halbschatten in den Kernschatten der Erde eintritt und die partielle Phase begonnen hat, können wir uns das nur gedanklich vorstellen. Speziell der Ost-Südost-Himmel ist völlig bedeckt, daneben und darüber ist es relativ klar. So ein Mist, aber fluchen hilft nicht, wieder mal ist Warten und Geduld angesagt.

Hier die Situation um 20:57 Uhr, als die partielle Phase bereits im Gange ist:

20:57 Uhr-

nix geht im Osten!

SNot und Tugend verbinden!

Warten auf den Einsatz

Obwohl die Aussichten eher trübe sind, lockern die Wolken ein wenig auf. Es ist ungemütlich und unbeständig, Manfred und ich sind skeptisch für die Folgestunden. Urplötzlich scheint ein rotes Horn aus den Wolken hervorzupieksen: Da isser ja! Wir sehen von dieser Finsternis als erstes etwa die nördliche Mondkalotte in der 12-Uhr-Position. Es ist 21:19 Uhr, als wir unseren persönlichen, ersten Sichtkontakt zum sich verfinsternden Mond erhaschen. Nach und nach gibt die Wolkenflut den partiell bedeckten Mond frei. Was für ein Anblick! Das sieht ja sehr konträr aus, finde ich: Ausgerechnet der noch unverfinsterte Teil des Mondes erstrahlt in Rotorange, die Farben erinnern mich spontan an die Totalitäts-Mondfarbe vom 9.11.2003. Ein Effekt der Atmosphäre aufgrund der niedrigen Horizonthöhe. Und der schon im Kernschatten liegende Teil ist schwierig zu sehen, aber dennoch rötlich erkennbar. Für einige Minuten ergeben sich ziemlich gute Bedingungen.

21:25

Na so was! Gleich 3 Flugzeuge nacheinander ziehen ihren Weg über den partiell verfinsterten Mond. Das langsame und breite Auseinanderdriften der Kondensstreifen lässt auf eine hohe Luftfeuchte in großer Höhe schließen. Die immer wieder auftretenden Wolkenfetzen erschweren die Beobachtung mit dem Fernglas. Dort fällt mir die leichte Rotfärbung des im Kernschatten liegenden Teiles eindeutig auf. Der Wind hat sich völlig gelegt, die Windschutzzelte sind überflüssig geworden.

Und wie schon am 9.1.2001 ist heute Abend hier oben mehr Publikumsverkehr als sonst üblich. Etliche PKW passieren den Feldweg, aber wir stehen mehr abseits als sonst vom Hauptweg und werden kaum gestört. In der nächsten halben Stunde werden Chancen für Fotos zum Geduldsspiel. Nur kurze Momente sind es meist, in denen das geht. Aber der Fortschritt ist nachvollziehbar.

21:50

Kurz vor der Totalität! Dieser Moment ist von weniger dichten Wolken geprägt, und es ist nur noch ein winziger Rest außerhalb des Kernschatten-Gebiets erkennbar. Der Effekt einer abschmelzenden Mars-Polkappe, quasi analog en gros. Der wohl schönste Moment einer Mofi. Es bleibt Zeit für einige länger belichtete Fotos mit dem Refraktor, aber auch die Digicam am 1000er Maksutov kommt zum Einsatz. Wir sind nur wenige Augenblicke vor der Totalität und - Wolkenattacke! Es ist erst einmal komplett dicht im Osten. Tja, das ist nicht zu ändern.

 Ändern will ich hingegen die Stromversorgung für die Digitalkamera. Nach gut 1 h Aktivität sind die Akkus leer. Kein Problem, schließlich habe ich eine 12V-Versorgung mit 6V-Trafo parat. Nach der Verbindung von der Autobatterie zur Kamera läuft wieder alles perfekt mit voller Leistung - und zwar für genau 5 Sekunden. Unter enormer Rauchbildung verabschiedet sich der ansonsten zuverlässige Trafo für immer. Als wäre die Sicht nicht schon durch genug Wolken eingeschränkt... Später stellt sich ein interner Windungschluss als Fehler heraus. Damit ist die Digitalkamera für diesen Abend außer Betrieb. Es gäbe ohnehin nichts zu fotografieren, denn riesige Wolkentürme stehen vor Luna.

22:30

Nichts neues im Osten. Keine Spur vom Mond zu sehen. Dafür kommt ein Besucher zu uns. Ein "Nicht-Astronom", der aber an der Sache wegen der günstigen Zeit interessiert ist. Wir unterhalten uns eine Weile angeregt, dann verlässt er uns. Ein Anruf bei Marc in Halle bringt keine guten News zutage: Weiterhin alles dicht im Osten der Republik. Das ist hart, überhaupt nichts zu sehen.

Manfred hat genug und packt ein. Für ihn ist die Finsternis gelaufen. Traditionsgemäß gebe ich mich so schnell nicht geschlagen und bleibe. Und das zum Trotz der nun schon bedrohlich wirkenden Regenwolken, die sich fast über den gesamten Himmel erstrecken. Erstaunlicherweise bleibt aber das nordöstliche Himmelsareal fast immer wolkenfrei! Abwechselnd kann man Jupiter und Venus aus dem Dunst heraus gelegentlich sehen. Sterne sind nur selten zu erblicken.

23:08

Die Totalität geht dem Ende entgegen. Und tatsächlich ist die Lage so aussichtslos, dass ich beschließe, die Geräte abzubauen. Gerade wickele ich die Verkabelung für die Nachführung zusammen, da tut sich ein breiter Streifen in der Wolkensuppe auf und der noch fast komplett verfinsterte Mond steht schlagartig am Himmel. Ja wie jetzt? Also, Kabel noch mal an die Batterie angeschlossen, Mond im Kamerasucher zentrieren und Fotos machen.

Und endlich kann ich die Finsternis genauer studieren. Ich erkenne um den äußersten Mondrand einen innen liegenden, gelblichen Ring. Obwohl der Mond schon wieder den Kernschatten-Rand erreicht hat, ist dies meiner Ansicht nach meine bisweilen dunkelste Mofi. Eine genaue Beurteilung kann ich jedoch nicht erstellen, weil ich von der eigentlichen TT keine einzige Minute gesehen habe. Doch der zweite, schönste Moment einer Mofi ist im Fernglas wiederum fantastisch: Eine wieder anwachsende Polkappe - sinngemäß auf den Mars übertragen. Ich bekomme Gelegenheit, einige Langzeitbelichtungen zu machen. Doch mehr als 40 wolkenfreie Sekunden sind kaum zu haben. Der Dunst schränkt die Abbildungsqualität ein.

Im Prinzip übertreffen aber die neuen Bedingungen meine Erwartungen. Für die folgenden 40 Minuten ergeben sich einige Chancen für Fotos der schwindenden Finsternis in der zweiten, partiellen Phase. Das stimmt mich milde, eine halbwegs zusammenhängende Bildserie zu haben.

23:45

Nur noch 20 Minuten, bis der Mond den Kernschatten wieder verlassen wird. Ende der Vorstellung, und dieses Mal definitiv für diese Finsternis. Jetzt nämlich ist der gesamte Himmel bedeckt, und über dem Mond liegt eine rabenschwarze Wolkenbank. Mit gutem Gewissen rolle ich das Kabel für den Nachführ-Motor ein zweites Mal zusammen. Das Warten hat sich also doch noch gelohnt. Nach dem Abbau der beiden Teleskope fahre ich gerade rechtzeitig, um im SR die 0.00 Uhr- News mitzubekommen. Auch die noch gegenwärtig laufende Finsternis wird in einem Bericht erwähnt. Und demnach waren die besten Bedingungen im Westerwald und im östlichen Bayern. Zum größten Teil jedoch lag Deutschland unter Wolken. Naja, und Braunshausen war heute irgendwo dazwischen. Marc geht bei Regen nach Hause, als ich ihn letztmalig anrufe. Für ihn war es eine totale clouded-out-Finsternis und Riesen-Enttäuschung. Zu keiner Zeit hat er irgendetwas sehen können.

1:15

Müde bin ich, geh' zur Ruh, decke meine Teleskope zu! Aber vorher habe ich einen kurzen Bericht mit Bildern in's Web gestellt. Erste Berichte in der SEML kommen rein. Es scheint sich zu bewahrheiten, dass auf der internationalen Helligkeitsskala für Mondfinsternisse diese heutige einen Wert von L2 erhält, also recht dunkel.

Meiner Web-Zugriffs-Statistik will ich ja erst nicht glauben: Überproportionale 12.000 Zugriffe in 2 Tagen - das ist ein neuer Rekord für meine kleine Seite, was mich natürlich ganz besonders freut.


Hier die Bilder der Digitalkamera Olympus C3020.

Durch Anklicken auf die Miniaturen öffnet sich eine vergrößerte Ansicht

 

21:25 Uhr-

 

0,62 s

21:28 Uhr

 

0,5 s

21:31 Uhr

 

6 s

21:35 Uhr

1,3 s

21:48 Uhr

6 s

21:49 Uhr

6 s


Hier die Bilder des Diafilms vom Teleskop (Fuji ProVia F100), abfotografiert mit Olympus C3020 Digitalkamera in Verbindung mit Diatubus.

Durch Anklicken auf die Miniaturen öffnet sich eine vergrößerte Ansicht

 

Hier muss man

sich selbst ein

Bild der Totalität

machen!

Nur ganz selten war die Sicht völlig ungetrübt. Minuten nach der Totalität ergab sich der stärkste Dunst während dieser Finsternis, die nicht leicht zu beobachten war. Und ein Nachtag ergibt sich: Die aufziehenden Wolken waren der Auftakt einer Schlechtwetter-Zone, die bis zum 8. Mai (Tag der Bericht-Fertigstellung) für fast ununterbrochene Regenfälle im Saarland sorgte.


MOFI-FAZIT 1:

Ein nutzlos gewordenes Netzteil, jede Menge Wolken, Digitalfotos und 2 Diafilme von der Mondfinsternis ist das Ergebnis des Abends vom 4. Mai 2004. Ein zumindest teilweise zufrieden stellendes Ergebnis, wie ich meine.

MOFI-FAZIT 2:

Fünf Mondfinsternisse mit verschiedener Magnitude habe ich nun gezielt beobachtet. Aufgrund der Eindringtiefe des Mondes in den Kernschatten der Erde ergaben sich jeweils unterschiedliche Anforderungen an das Filmmaterial und die Belichtungszeiten. Dieser Zusammenhang ist mir im Laufe der Jahre hinreichend oft demonstriert worden. So kann ich nun aufgrund der eigenen Beobachtungen und auch der eigenen Fotos bei bekannter Tiefe der Finsternis die erforderliche Fototechnik eindeutig festlegen.

Also keine ist wie die andere, jede hat ihre Eigenheiten und jede bleibt unauslöschlich in Erinnerung. Und natürlich freue ich mich auf die nächste. In diesem Jahr. Am 28. Oktober 04. Und die geht so...


Alexander Birkner, 08. Mai 2004